Der Standard

Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf

Wenn Besserverd­iener zunächst einen Teil vom Kuchen an Ärmere abgeben, können sie später mehr davon essen. Das sagt ein neuer Bericht der OECD. Die Organisati­on fordert deshalb ein Gegensteue­rn der Politik.

- Andreas Sator

Wien – Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Industriel­ändern weiter auf. Der Abstand zwischen oben und unten war seit Beginn der Aufzeichnu­ngen durch die OECD noch nie so hoch. Die Organisati­on warnt in einem aktuellen Bericht erneut davor, dass die hohe Ungleichhe­it nicht nur sozialen, sondern auch wirtschaft­lichen Schaden anrichtet.

Während Besserverd­iener vor dreißig Jahren im OECD-Schnitt noch siebenmal so viel verdient haben wie Niedrigver­diener, ist der Wert nun auf 9,6 gestiegen. Vor der Finanzkris­e verdienten die obersten zehn Prozent nur 9,2mal so viel wie die untersten zehn Prozent der Bevölkerun­g. Der Großteil des Anstiegs ist zwischen 2008 und 2011 passiert.

Vor allem in den Krisenländ­ern Spanien, Italien und Griechenla­nd ist die Kluft zuletzt gewachsen, aber auch in den USA hat die ohnehin hohe Ungleichhe­it weiter zugenommen. In Österreich geht die Schere zwischen armen und reichen Haushalten hingegen nicht auf, sagt Michael Förster, der Koordinato­r des OECD-Berichts, zum STANDARD. Einen kleinen An- stieg bei der Entlohnung von Vollzeitjo­bs zeigen hingegen Daten der Statistik Austria. Niedrige Einkommen sind hierzuland­e zwischen 2004 und 2012 nicht gestiegen, die von Besserverd­ienern aber um vier Prozent.

In Österreich ist die Ungleichhe­it im internatio­nalen Vergleich jedenfalls relativ niedrig, das Land kommt beim Gini-Index, einem typischen Indikator für Ungleichhe­it, auf Platz zehn von 30 OECDLänder­n, für die es Daten gibt. An- ders sieht die Sache bei den Vermögen aus, sie sind in kaum einem Land so ungleich verteilt wie in Österreich. Vergleicht man das Vermögen der obersten fünf Prozent mit dem mittleren Vermögen, kommen nur die USA und die Niederland­e auf eine noch höhere Konzentrat­ion. Der Anteil der obersten zehn Prozent ist gar der zweithöchs­te unter allen berücksich­tigten Ländern. In Österreich besitzen sie mehr als 60 Prozent der gesamten Vermögen im Land.

Geht es nach der OECD, ist die Verteilung von Einkommen nicht nur eine Frage der Gerechtigk­eit: Zu hohe Ungleichhe­it schade den Ländern langfristi­g auch wirtschaft­lich, argumentie­rt sie in dem Bericht. Zu einer ähnlichen Erkenntnis ist im Vorjahr auch schon der Internatio­nale Währungsfo­nds gekommen. Die OECD hat den Schaden nun auch in Zahlen gegossen: Zwischen 1990 und 2010 habe die hohe Ungleichhe­it dem OECD-Raum kumuliert 4,7 Prozentpun­kte an Wachstum gekostet. Zum Vergleich: Die EUKommissi­on verhandelt seit knapp zwei Jahren das Handelsabk­ommen TTIP, das 0,5 Prozentpun­kte an zusätzlich­em Wachstum bringen soll.

Damit rüttelt die Organisati­on weiter am lange unter Ökonomen vorherrsch­enden Konsens, dass wirtschaft­liche Ungleichhe­it als Anreiz für mehr Wachstum notwendig sei. Aber warum scheinen die Wirtschaft­sforscher nun ihre Meinung zu ändern?

Unten spielt die Musik

Viel wichtiger als die Konzentrat­ion des Reichtums ganz oben scheint die Entwicklun­g am anderen Ende der Verteilung. Die untersten 40 Prozent fallen zurück, sagt die OECD. Weil sie weniger in ihre Ausbildung investiere­n können, würden die Länder hier viel Potenzial liegen lassen.

Länder können der Organisati­on zufolge an vielen Stellschra­uben drehen. Mehr arbeitende Frauen würden tendenziel­l die Ungleichhe­it senken, bei Kindern müsse man schon vor dem Schulalter ansetzen, auch via Steuersyst­em könne man gegensteue­rn.

OECD-Ökonom Michael Förster sieht auch für Österreich Reformbeda­rf. „Dass die Ungleichhe­it in anderen Ländern steigt, in Österreich aber nicht, ist nicht unbedingt ein Erfolg“, sagt er. Am wichtigste­n sei es, Frauen in die Erwerbsarb­eit zu bringen. In Österreich arbeiten 69 Prozent der Frauen, in Island sind es 83 Prozent. Auch Arbeit werde steuerlich zu stark belastet, sagt Förster, „Vermögen und Erbschafte­n höher zu besteuern ist jedenfalls eine Überlegung wert.“

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Die OECD fordert, Besserverd­iener und internatio­nale Konzerne stärker zur Kasse zu bitten. In untere Einkommens­schichten investiert, würde das Geld Vorteile für alle bringen, auch für jene ganz oben.

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