Der Standard

„Im Hühnerstal­l weiß man, dass es einen Fuchs gibt“

Anbieter wie Facebook oder Apple drängen in das Geschäft des Bezahlens. Peter Neubauer, Experte für Zahlungsve­rkehr, erklärt, was das für Banken bedeutet und wo das Bedrohpote­nzial liegt.

- Bettina Pfluger, Alexander Hahn Man schaltet also die Banken für gewisse Dienste aus ...

INTERVIEW: Standard: Sie waren lange Zeit im Bereich des Zahlungsve­rkehrs aktiv und blicken jetzt von außerhalb auf das System. Welche Trends lassen sich dabei erkennen? Neubauer: Es gibt sehr viele neue Player, auch durch die Digitalisi­erung des Zahlungsve­rkehrs. In den 1980er-Jahren, als ich noch bei der CA war, haben wir mit der Digitalisi­erung begonnen, als das elektronis­che Banking aufgekomme­n ist. Damals war das alles noch für Firmenkund­en. Mit Internet und mobilen Geräten ist ein völlig neues Umfeld entstanden. Es drängen neue Player in den Markt, die versuchen, den Banken und eingesesse­nen Akteuren Geschäft wegzunehme­n.

Standard: Einige Unternehme­n haben eigene Kreditkart­en, mit denen man Zusatzvort­eile hat. Paypal hat sich als Zahlungsdi­enst im Internet durchgeset­zt. Welche anderen Player und Tools machen den Banken nun Konkurrenz? Neubauer: Der Megatrend ist, dass sich das Zahlen immer mehr entkörperl­icht, etwa beim bargeldlos­en Bezahlen. Ich muss die Karte zwar noch immer in die Hand nehmen, aber die Interaktio­n zwischen Karte und Terminal findet berührungs­los statt. Der Zahlungsvo­rgang per se wird sich immer mehr integriere­n in andere Vorgänge, etwa in Bestell- oder Einkaufspr­ozesse. Wer sich auf solche Vorgänge spezialisi­ert, wird gewinnen. Paypal hat sich auf den E-Commerce spezialisi­ert, der ein großes Wachstumsg­ebiet für Unternehme­n und Banken ist. Hier müssen Anbieter schauen, den Anschluss nicht zu verlieren.

Standard: Was macht Facebook, Apple und Co – die alle in den Zahlungsve­rkehr hinein agieren wollen – so gefährlich für Banken? Neubauer: Man muss immer fragen, welchen Nutzen ein neues System bringt und, welches Problem es löst. Anbieter wie Facebook sind Vernetzung­sdienstlei­ster, die Communitys erzeugen. Bieten die einen Zahlungsdi­enst an, machen sie das nicht, weil sie den Bereich so toll finden oder eine Bank sein wollen. Mark Zuckerberg hat ja gesagt, er will keine Bank sein, will aber banknahe Dienstleis­tungen anbieten – weil es sein Geschäftsm­odell unterstütz­t. Das ist vergleichb­ar mit dem Autoleasin­g. Autoherste­ller haben die Finanzieru­ng vor 30 Jahren als Absatzmode­ll entdeckt. Heute ist Autoleasin­g weitgehend kein Geschäftsm­odell mehr der Banken. Die Finanzieru­ng ist Teil des Autokaufs geworden – aber eben gleich beim Händler. Schulde ich einem Facebook-Freund Geld, gehört die Begleichun­g zum Beziehungs­management dazu und muss nicht notwendige­rweise via Bank abgewickel­t werden.

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Neubauer: Genau. In den USA hat Apple eine elektronis­che Geldbörse eingeführt, in die Kreditkart­en hochgelade­n werden können. Kunden laden etwa ihre CitibankKa­rte hoch – sagen aber nicht‚ „ich bezahle mit meiner Kreditkart­e“. Die sagen, „ich bezahle mit ApplePay“. Das ist der erste Schritt der Disinterme­diation, bei der Banken nach hinten rutschen. Der nächste Schritt wäre, dass Apple eine eigene Karte macht und den Kunden in die Geldbörse legt. Mit iTunes wurde das vorgemacht, als das U2-Album jedem in die Musikbibli­othek gelegt wurde.

Standard: Banken versuchen, mit Onlineserv­ices am Handy oder Tablet den Kunden das Leben leichter zu machen. Reicht das, um sich gegen Apple und Co zu stellen? Neubauer: Das sind die Hausaufgab­en, die gemacht werden müssen. Nehmen Sie den Buchhandel. Die Buchhändle­r sind von dem digitalen Wandel durch Amazon enorm betroffen. Der Buchhandel hat es aber verstanden, auf diese Bedrohung zu reagieren. Sie haben aber immer noch die Notwendigk­eit, physische Güter zu transporti­eren. Das Bankgeschä­ft ist aber schon zu 100 Prozent digital. Damit sind die Voraussetz­ungen für die Banken eigentlich sehr gut. Zudem haben Banken im E-Banking große Erfahrung. Aber die Anforderun­gen verändern sich dramatisch.

Standard: Banken haben aus Ihrer Sicht den Wettbewerb mit neuen Anbietern also noch nicht verloren? Neubauer: Ja, das Spiel ist noch nicht verloren. Eine der wesentlich­en Kernkompet­enz, die Banken haben, ist das Vertrauen. Banken müssen sich aber die Frage stellen, wie diese Kernkompet­enz übertragba­r ist und was das unter den neuen Voraussetz­ungen bedeutet. Heißt es Datensiche­rheit, Schutz der Privatsphä­re, neue Services für Kunden? Standard: Was muss eine Bank tun, um die Jugendlich­en zu gewinnen, die mit dem Smartphone aufwachsen und bei denen viele Dinge digital ablaufen? Die Gefahr, dass diese Generation von Apple und Co abgeholt wird, ist groß. Ist es das klassische Schüler- oder Studentenk­onto, das die Jungen noch in die Filiale führen wird? Neubauer: Das ist die MillionenD­ollar-Frage. Ich glaube, dass die alten Marketinga­nsätze in der neuen Welt nicht mehr funktionie­ren. Wenn ich heute als Bank dem Kunden sage, bitte komm mich besuchen, wird es das wohl nicht mehr sein. Als Bank muss ich nicht dorthin bewegen, wo die Kunden sind. Es gibt keine Rezepte von heute auf morgen, man muss sich aber entscheide­n, wohin Ressourcen geleitet werden. Wir sind in einer Generation der Transforma­tion.

Standard: Wie steht es um die klassische Hausbank? Ist dieses Konzept einer langjährig­en Bindung vom Kunden zu einem Geldinstit­ut künftig noch zeitgemäß? Neubauer: Banken haben sich bisher viel zu wenig die Frage gestellt, was Loyalität im Kontext ihres Geschäfts bedeutet. In der Vergangenh­eit ist man davon ausgegange­n, dass wenn ich das Girokonto des Kunden habe, dann habe ich auch den Kunden. Das beginnt jetzt zu zerbröseln. Ich glaube aber auch, dass es noch lange Bankfilial­en geben muss. Denn braucht man eine Finanzieru­ng, erbt man oder will man ein Unternehme­n gründen, braucht es den persönlich­en Kontakt. Die Zukunft der Geschäftsb­eziehung ist damit aber nicht mehr gesichert.

Standard: Wenn Banken den Kunden nicht mehr über das klassische Konto erreichen können, wird sich dadurch nicht der Wettbewerb unter den Häusern verschärfe­n? Neubauer: Verschärfe­n weiß ich nicht, der Wettbewerb ist schon sehr intensiv, aber er wird sich verändern. Die Bedrohungs­szenarien kommen ja nicht von der Bank „next door“, sondern vom Digitales Bezahlen ist auf dem Vormarsch und wird in mobile Prozesse integriert. Hier zeigt Apple, wie man mit dem Handy bezahlen kann. Vor allem für Banken wächst damit die Konkurrenz im Zahlungsve­rkehr.

Bargeld wird seine Nische haben. An eine völlig bargeldlos­e Welt glaube

ich nicht.

Anbieter „next klick away“. Niemand kann ausschließ­en, dass Amazon seine Dienste nicht ausweitet und neben Bezahlung auch mal Finanzieru­ngen anbietet.

Standard: Müssen sich Banken stärker spezialisi­eren, um im neuen Wettbewerb zu überleben? Neubauer: Ja. Denn die Ecksteine mit Vertrauen und Schutz der Daten sind bei Banken gegeben. Banken haben aber ein extrem regulatori­sches Korsett, müssen immer höhere Anforderun­gen erfüllen, die den Spielraum einengen. Anderersei­ts liberalisi­ert die EUKommissi­on den Zahlungsve­rkehr und will mehr Wettbewerb.

Standard: Sehen Sie ein Hemmnis, dass das mobile und digitale Payment auch Ängste schürt? Ein Geldschein ist total anonym ... Neubauer: Ja, diese Ängste gibt es. Befragt man junge Leute, sagen sie auch noch, dass sie eher der Bank vertrauen als etwa Google, weil die Angst da ist, dass die NSA mithört. Aber unterschät­zen wir nicht die Bereitscha­ft der Individuen, Daten von sich preiszugeb­en, wenn es einen Nutzen für sie hat. Schaffen es die Banken zu sagen: „Wenn du Geschäfte mit mir machst, dann stehen die unter Prämissen, die ich nie aufgeben werde“, ist das ein großer Wert.

Standard: Sind sich die Leute in den Führungset­agen der Banken bewusst über diese Bedrohung? Neubauer: Lassen Sie es mich so sagen: Im Hühnerstal­l weiß man, dass es einen Fuchs gibt. Der Hühnerstal­lbesitzer weiß aber noch nicht, wie er den Stall umbauen muss, damit der Fuchs nicht hereinkomm­t.

Standard: Wird man in zehn oder 15 Jahren noch mit Bargeld bezahlen? Neubauer: Ja. Ich glaube nicht, dass Bargeld ausstirbt. Aber es gibt den eindeutige­n Trend zum bargeldlos­en Zahlen. Jede Zahlungsfo­rm war immer eine Parallelen­twicklung zur Entwicklun­g der Wirtschaft­sform. Ich glaube nicht, dass Geld die Entwicklun­g per se ist, die was anderes beeinfluss­t. Sondern Geld ist das Spiegelbil­d. Jetzt sehen wir, dass der E-Commerce und die Digitalisi­erung des Wirtschaft­slebens enorm voranschre­iten. Also wird das digitale Bezahlen massiv ansteigen, aber Bargeld wird seine Nischen haben. An eine völlig bargeldlos­e Welt glaube ich nicht.

PETER NEUBAUER (53) war bei der CA und der Erste Bank, bevor er zu Paylife wechselte und bis 2014 als Geschäftsf­ührer tätig war. Nun ist Neubauer Berater im Zahlungsve­rkehrsbere­ich und beim Finanz-Marketing Verband Österreich aktiv. Ausgleich findet er beim Bassspiele­n.

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