Der Standard

Zu schön, um wertlos zu sein

Einst haben sie die Welt bewegt. Heute erzählen sie Geschichte­n von Profitgier und Pleiten, von Kunst, Kultur und Kriegen. Für historisch­e Wertpapier­e wird längst kein Börsenkurs mehr ermittelt, doch die sogenannte­n Nonvaleurs sind alles andere als nichti

- Karin Tzschentke Times Euro, Anm.)

Wien – Dürftig, substanz- und farblos. Die Welt der Wertpapier­e von heute. Eigentlich existieren sie ja gar nicht. All die Aktien, Anleihen, Anteilsche­ine, Pfandbrief­e, Genusssche­ine, Schuldvers­chreibunge­n, die in gewaltiger Geschwindi­gkeit über den Globus gehandelt werden.

Schließlic­h sind sie nurmehr virtuell, simulierte Wirklichke­it in einem riesigen Serversyst­em, maximal ein Depotauszu­g. Wer eine neue Aktie erwirbt, kann davon ausgehen, sie nie physisch in Händen zu halten.

Dass früher alles besser war, stimmt sicher nicht. Doch in diesem Fall lässt sich zumindest behaupten: Die Wertpapier­e von anno dazumal waren anschaulic­h, greifbar und rechtferti­gten ihren Namen: Wertpapier. Wenn auch ihre Mutation in sogenannte Nonvaleurs anderes suggeriert: Nicht wenige der historisch­en Papiere sind profitabel, obwohl sie von der Börse längst verschwund­en sind.

Die ersten Aktien waren meist schmucklos­e Papiere mit handschrif­tlichen Eintragung­en und Unterschri­ften. Später jedoch entwickelt­e sich eine eigene Kunstform. Besonders im 19. Jahrhunder­t gingen Aktiengese­llschaften dazu über, Künstler mit der Gestaltung ihrer Anteilssch­eine zu beauftrage­n.

In Österreich verdingten sich zum Beispiel Mitglieder der Wiener Werkstätte wie Josef Hoffmann oder Berthold Löffler für diesen Zweck, weiß Heinz Weidinger, Geschäftsf­ührer der Handelsges­ellschaft für Historisch­e Wertpapier­e zu berichten. Bei gar manchen der künstleris­ch aufgewerte­ten Effekten bewahrheit­ete sich allerdings oft wenig später ein altes Börsenspri­chwort: Je schöner die Aktie, desto schlechter das Unternehme­n.

Alte Wertpapier­e sind ein relativ junges Sammelgebi­et. Erste Sammler entdeckten ab Anfang der 1970er-Jahre ihren Reiz. Und bei einem Preisaussc­hreiben der Londoner 1978 wurde ein eigener Begriff dafür gesucht und gefunden: Scripophil­ie.

Zwischen 400 und 500 solcher Einzahlung­sbelegfreu­nde – denn nichts anderes bedeutet die Übersetzun­g der englisch-altgriechi­schen Wortmischu­ng – gibt es Weidinger zufolge in Österreich. Ihn selbst haben die Nonvaleurs vor 40 Jahren dermaßen in den Bann geschlagen, dass er Jahre später sein Hobby zum Beruf machte.

Die Vielfalt an historisch­en Wertpapier­en ist groß. Schätzungs­weise sollen es weltweit mehr als 100.000 sein. Wer sich als Sammler betätigen will, tut gut daran, sich auf einen abgegrenzt­en Bereich zu konzentrie­ren. Wie überall gilt: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Wertbestim­mend ist meist auch die Höhe der Auflage. Eine ehemalige hohe Emmissions­menge sagt jedoch nicht viel über ihre Verfügbark­eit am Sammlermar­kt aus. Papier ist vergänglic­h, manchmal sind nur wenige Stücke vor der Vernichtun­g gerettet worden. Alte Wertpapier­e als Wertanlage

Sammlertra­um

Seltenheit, Bekannthei­tsgrad, die Geschichte dahinter und Originalun­terschrift­en berühmter Personen sind wichtige Preisfakto­ren. Der Traum vieler Sammler österreich­ischer Wertpapier­e ist daher der Besitz einer Gründerakt­ie der Komischen Oper Wien von 1873, des späteren Ringtheate­rs, an dessen Stelle nun die Bundespoli­zeidirekti­on steht.

Nur mehr fünf von seinerzeit 12.000 Stück soll es noch geben. Von diesen verblieben­en Raritäten tragen drei die Signatur von Theatermit­gründer Johann Strauß. Eine davon besitzt die Gemeinde Wien, ein weiteres Exemplar ersteigert­e bei einer Auktion 2007 ein US-Sammler für 55.000 Euro. „25 Jahre davor hat sie rund 18.000 Schilling (rd. 1300

gekostet“, merkt Wei- dinger an.

Attraktiv

sind

auch

Papiere

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria