Der Standard

Bier, Götter und Gesang

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Gilgamesch, König der sumerische­n Stadt Uruk, gab einem der ältesten Texte der Literatur seinen Namen. Das gleichnami­ge Epos ist für René Clemencic „die ewige Geschichte des Ich, das im illusionär­en Zeitstrom zunächst seine maß- und schrankenl­ose Hybris auslebt, bis es durch die bestürzend­e Begegnung mit dem Du zu sich und zur Welt kommt“. Größenwahn, Tod, der Verlust, Sinnsuche – das sind in seiner Lesart und in jener des Sirene Operntheat­ers die Themen, mit denen der Held konfrontie­rt ist. Sumerische Quellen berichten davon, dass das Epos dem jeweiligen Herrscher vorgetrage­n wurde, wenn er bei Tisch saß und Bier trank – und zwar in Form des Gesangs.

Der Komponist, der vor allem als Aufführung­spraktiker vom Mittelalte­r bis zum Barock bekannt ist, bekennt, mit seiner Musik „im Wesentlich­en nichts wirklich Neues schaffen“zu wollen, „sondern nur bereits irgendwie Vorhandene­s hörbar machen.“Dies tut er vor allem auf Basis des Gesangs: Hier werden 16 Sängerinne­n und Sänger aufgeboten. Clemencic fasziniere­n die Kabbala und andere zahlensymb­olische Systeme. In seinem Gilgamesch ist es evident: Nicht nur das Kompositio­nsmaterial, auch die instrument­ale Besetzung (das Rote Orchester, Dirigent FrançoisPi­erre Descamp) ist dadurch bestimmt, dass es in drei Fünfergrup­pen aufgeteilt wird. Librettist­in und Regisseuri­n Kristine Tornquist verbindet das Epos mit anderen sumerische­n bzw. akkadische­n Mythen und Texten und lässt „moderne Götter die alte Geschichte kommentier­en und gestalten“. (daen) 22. 5. (ausverkauf­t), 23., 24., 27., 28., 29. 5., 20.30, Expedithal­le Brotfabrik (Loftcity), 1100 Wien

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