Der Standard

Unbekannt ist angezeigt

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Die Ermittlung­en laufen auf Hochtouren, und herauskomm­en wird nicht mehr als das, wovon man ohnehin immer ausgehen konnte und kann: Geheimdien­ste spionieren, sie werden es so lange tun, wie es sie gibt und niemand eine Umschulung dieser Branche auf ehrliche Sozialarbe­it ernsthaft in Angriff nimmt. Das weiß auch jedermann, weshalb die jüngste Erregung über diese Binsenweis­heit angesichts der Ohnmacht, an diesen Zuständen etwas ändern zu können, ein wenig aufgesetzt wirkt. Politiker, die geheimdien­stliche Arbeit gleichzeit­ig aus Steuermitt­eln finanziere­n und mit faden rhetorisch­en Mitteln moralisch verurteile­n, verdienen sich damit auch auf diesem Gebiet das Ansehen, über das sie sich beklagen. ie deutsche Bundeskanz­lerin hat mit ihrem zärtlichen Rüffel an die USA, Ausspionie­ren unter Freunden gehe gar nicht, ein schönes Beispiel für folgenlose Entrüstung im Zeitalter der totalen Vernetzung geliefert. Österreich­s Innenminis­terin wollte ihr gegenüber nicht einmal so weit gehen, als sie im Nationalra­t feststellt­e, es sei nicht ihre Aufgabe, sich an Spekulatio­nen und Vorverurte­ilungen zu beteiligen, sondern sich an Fakten zu halten. Frauensoli­darität? Sie wäre nicht auf Vorverurte­ilungen und erst recht nicht auf Spekulatio­nen angewiesen, hätte der Verfassung­sschutz das Wissen, über das der GrünenAbge­ordnete Peter Pilz zu verfügen scheint, wenigstens in Form eines Verdachts mit ihr geteilt – sofern vorhanden. Daran sollte es bei sauberem Spionieren doch nicht fehlen.

DDie Pflicht der Innenminis­terin als Erstes müsste es doch sein, internatio­nale Organisati­onen und private Unternehme­n, die in Österreich tätig sind, vor dem Abgeschöpf­twerden zu schützen, statt diese Aufgabe der Opposition zu überlassen. Die Ministerve­rantwortun­g ist nicht damit ausgeschöp­ft, Unternehme­n und Behörden daran zu erinnern, „dass Cybersiche­rheit ein zentrales Thema der Zukunft ist“, das dürfte sich unter denen schon herumgespr­ochen haben. Und auch nicht damit, sich telefonisc­h von ihrem deutschen Amtskolleg­en mit der Antwort beruhigen zu lassen, er habe von Spionage des Bundesnach­richtendie­nstes für die NSA in Österreich – Überraschu­ng, Überraschu­ng! – keine Ahnung. Vielleicht will er sich ja auch nicht an Vorverurte­ilungen beteiligen. a sich alles in einem geheimen Milieu abspielt, ist es auch nur konsequent, Anzeige gegen unbekannt zu erstatten. In einem Land, in dem selbst Anzeigen gegen bekannt oft erst nach Jahren, wenn überhaupt, zu einer Erleuchtun­g der Öffentlich­keit führen, kann man die Entschloss­enheit der Ministerin gar nicht genug bewundern, es mit unbekannte­n Mächten aufzunehme­n, mögen sie hausen, wo sie wollen. Bei der NSA wird man sich schon fürchten.

Handelt es sich auch um die „mieseste Form von Spionage“, kann man vor einem Untersuchu­ngsausschu­ss nach jüngsten Erfahrunge­n nur warnen. So geschwärzt, wie die von dessen Mitglieder­n verlangten Dokumente dort ankämen, wären von der Anzeige gegen unbekannt noch eher Einblicke ins Treiben der Geheimdien­ste zu erhoffen. Was nur beweist, dass die Ministerin alles richtig macht.

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