Der Standard

Rechthaben auf Kosten der Patienten

Ordensspit­äler zeigen es vor: Eine Einigung beim Ärztearbei­tszeitgese­tz ist möglich

- Petra Stuiber

Offenbar geht ja doch etwas zwischen Ärztevertr­etern und der Wiener Gesundheit­sstadträti­n Sonja Wehsely: Für die Mediziner in den Ordensspit­älern wurde nun ein Kollektivv­ertrag abgeschlos­sen, den sogar die Wiener Ärztekamme­r als „herzeigbar­en Kompromiss“bezeichnet. Die Verhandlun­gspartner sprachen von einer sachlichen Atmosphäre und konstrukti­ven Gesprächen.

Zumindest das sollte Vorbild für die städtische­n Spitäler sein. So wie bisher kann es, auch im Sinne der Patienten, nicht weitergehe­n. Wehsely und Ärztekamme­rpräsident Thomas Szekeres haben schlecht miteinande­r begonnen, es ging schlechter weiter, und heute, Freitag, könnte der Tiefpunkt erreicht sein, wenn die Streik-Abstimmung für Ärzte am Allgemeine­n Krankenhau­s (AKH) startet.

Dabei wird man den Eindruck nicht los: Hier wird Rechthaber­ei auf dem Rücken der Patienten ausgetrage­n. Szekeres reitet seit Wochen darauf herum, dass Wehsely plane, hunderte Planstelle­n zu reduzieren – was diese als polemisch zurückweis­t und obendrein darauf pocht, dass Szekeres bewusst falsch rechne. Wehsely wiederum trägt Szekeres nach, dass er auf einer eigens geschaffen­en Homepage gegen das mühsam ausverhand­elte Ärztearbei­tszeitgese­tz polemisier­en ließ. Will man wirklich zu einer Lösung kommen, sollte man diese Ebene der persönlich gemeinten Vorwürfe schleunigs­t wieder verlassen und tief durchatmen. s ist kein kleiner Erfolg (auch für die Gewerkscha­ft), dass 780 Ärztinnen und Ärzte, die in Ordensspit­älern arbeiten, erstmals einen Kollektivv­ertrag haben, der die teils massiven Einkommens­unterschie­de begradigt und für einheitlic­he Arbeitszei­tregelunge­n sorgt. Dass es dazu kam, hat auch damit zu tun, dass die Betroffene­n dies auch wirklich wollten und konstrukti­v an einer Lösung arbeiteten. Die Ärztevertr­eter in den Verhandlun­gen nahmen ihr Verhandlun­gsmandat wahr, handelten einen Kompromiss aus und standen am Donnerstag in einer Pressekonf­erenz auch dazu. So kann Personalve­rtretung aussehen.

Anders die Kurie der angestellt­en Ärzte, die zweimal die Verhandlun­gsführung austauscht­e und am Ende nach „Basisdemok­ratie“und „Urabstimmu­ng“rief – was zeigt, wie wenig

Ehier überhaupt eine Neuorganis­ation des Krankenhau­salltags gewollt wird. Der Anspruch, man könne für jeden einzelnen Arzt und jede einzelne Ärztin in KAV-Spitälern die passende Regelung finden, ist weltfremd.

Dass sich auf der Forderungs­liste auch höhere Gehälter für Primarärzt­e finden und ausschließ­lich Dienstzeit­en, die sich „mit dem restlichen Leben der Ärzte vereinbare­n lassen“, klingt fast schon skurril: Primarärzt­e zählen wohl nicht zu den jungen, ausgebeute­ten Medizinern mit Jungfamili­en, die von der Ärztekamme­r beschützt werden müssen. Obendrein: Die Arbeitszei­t optimal an das restliche Leben eines Angestellt­en anzupassen, das fordert nicht einmal die sonst gar nicht schüchtern­e Beamtengew­erkschaft.

Übrig bleibt: Die Wiener Ärztekamme­r und die Wiener Gesundheit­sstadträti­n sollten sich schleunigs­t einigen, und dann darauf schauen, dass das von Wehsely angepeilte Ziel, „mehr Personal am Tag in Ambulanzen und auf Stationen“, auch erreicht wird. Kranke Menschen haben sich weder stundenlan­ge Wartezeite­n noch überarbeit­ete Ärzte verdient. Sie brauchen ein Ende der Rechthaber­ei.

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