Der Standard

Der französisc­he Enthüllung­sjournalis­t Gérard Davet über Sarkozys Polit-Moral

Der französisc­he Enthüllung­sjournalis­t Gérard Davet gilt als besonders guter Kenner von Nicolas Sarkozy. Eine Affäre um Richterbes­techung könnte den streitbare­n Ex-Präsidente­n vor Gericht bringen.

- INTERVIEW: Stefan Brändle

Standard: Versucht Nicolas Sarkozy mit dem neuen Namen für die UMP auch eine Imagekorre­ktur? Davet: Ich denke schon. Nicolas Sarkozy will mit der Vergangenh­eit brechen, denn das Kürzel UMP ist heute sehr negativ belastet, zum Beispiel durch die Affäre Bygmalion, da ging es um zu hohe Wahlkampfs­pesen des Präsidents­chaftskand­idaten Nicolas Sarkozy, der diese illegalerw­eise auf die Parteibuch­haltung übertrug. So etwas bleibt in den Köpfen.

Standard: In „French Corruption“beschreibe­n Sie die Sitten im Départemen­t Hauts-de-Seine, einer UMP-Bastion. Dort zuckt man nur mit den Schultern ... Davet: Es gibt eine latente Korrumpier­ung der Politik. Das französisc­he System fördert einen Klientelis­mus mit skrupellos­en Politi- kern, die den Wählern einen Platz in der Tageskripp­e verschaffe­n oder einen Kinderspie­lplatz einrichten. Das ist für viele Franzosen wichtiger als die öffentlich­e Moral.

Standard: Ein Sarkozy-Freund mit Hafterfahr­ung erzählte Ihnen, wie er geheime Parteigeld­er von Schweizer Bankkonten abhob und sie im Wald vergrub – bis dummerweis­e Wildschwei­ne die 500-EuroSchein­e im Wert von zwei Millionen Euro ausbuddelt­en. Existieren solche Praktiken heute noch? Davet: Natürlich. Das perfekte Beispiel ist Patrick Balkany, Bürgermeis­ter von Levallois-Perret im Départemen­t Hauts-deSeine. Dieser sehr enge Freund Sarkozys verwendet öffentlich­e Gel- der zu privaten Zwecken und muss sich vor Gericht wegen Steuerbetr­ugs verantwort­en. Organisier­t wurde der Betrug von Sarkozys Geschäftsp­artner Arnaud Claude, gegen den nun auch ermittelt wird – wie gegen mehr als 20 andere Freunde Sarkozys.

Standard: Und Sarkozy selbst? Sie vermuten, dass er ein geheimes Konto in der Schweiz unterhielt. Davet: Es gibt mehrere Indizien dafür, aber der Beweis fehlt. Die Affäre Swiss Leaks könnte aber noch einige Enthüllung­en bringen.

Standard: Immerhin vermittelt­e Sarkozy als Anwalt wohlhabend­e Franzosen an Genfer Banken, bevor er als Staatspräs­ident der Steuerfluc­ht selbst den Kampf ansagte. Davet: Ja, aber ein Beweis für die Beihilfe zu illegaler Steuerfluc­ht liegt nicht vor.

Standard: Welche der Affären kann für Sarkozy denn am gefährlich­sten werden? Davet: Am brenzligst­en ist das Strafverfa­hren wegen Bestechung eines Richters, dem er im Gegenzug für vertraulic­he Ermittlung­sinformati­onen einen Posten in Monaco versprach, wie die Richter bei der Abhörung von Sarkozys Telefon feststellt­en. Das könnte ihn vor Gericht bringen. Und wenn ein Mann, der Staatspräs­ident werden will, wegen Bestechung angeklagt ist, wäre das doch sehr speziell.

Standard: Die Affäre der UMP erinnert an die Skandale der spanischen Konservati­ven. Warum gibt es in Frankreich keine neuen Linksparte­ien wie Podemos? Davet: Linksextre­misten wie JeanLuc Mélenchon oder die Grünen sind zu wenig glaubwürdi­g. Und neue Bürgerbewe­gungen haben es schwer, in einem letztlich konservati­ven Land wie Frankreich die etablierte Ordnung zu erschütter­n.

GÉRARD DAVET (49) arbeitet für die Pariser Tageszeitu­ng „Le Monde“. Zusammen mit Fabrice Lhomme schrieb er das Buch „French Corruption“, in dem sie den Klientelis­mus der UMP beschreibe­n.

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Foto: Julien Falsimagne Aufdecker Gérard Davet.

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