Der Standard

Sarkozy will der einzig wahre Republikan­er sein

Frankreich­s Ex-Präsident Sarkozy will seine Partei UMP in „Die Republikan­er“umbenennen. Die Linke läuft dagegen Sturm: Sie argumentie­rt, die Republik gehöre in Frankreich allen Bürgern – zumindest all jenen, die die Französisc­he Revolution verteidige­n.

- Stefan Brändle aus Paris

Die Idee schien einfach und bestechend – wie so vieles, was Nicolas Sarkozy anpackt: Seine Partei Union für eine Volksbeweg­ung (UMP), die oft mit Parteiskan­dalen, Postenscha­cher und Hahnenkämp­fen im Zusammenha­ng steht, soll in Zukunft Les Républicai­ns heißen. Diese wären der alten Finanzaffä­ren entledigt, und ihr Chef könnte mit neuen Parteifarb­en in den Präsidents­chaftswahl­kampf 2017 ziehen.

Vor allem würde die übel beleumunde­te Formation wie durch Zauberhand zu jener breiten Sammelbewe­gung, die dem 2012 aus dem Amt gewählten Sarkozy vorschwebt: Denn welcher Franzose würde schon bestreiten, ein glühender Anhänger der Republik – soll heißen: ein überzeugte­r Republikan­er – zu sein?

Doch plötzlich ist es gar nicht mehr so sicher, dass der UMP-Parteitag an diesem Wochenende den neuen Namen absegnen wird. Das Vorhaben bekommt immer mehr Widerstand. „Ihr seid nicht die einzigen Republikan­er“, donnerte schon Anfang Mai Linkspolit­iker Jean-Luc Mélenchon. „Worte wie ‚Republikan­er‘ oder ‚Patrioten‘ dürfen nicht privatisie­rt werden!“Schließlic­h umfasse die Bezeichnun­g „Republik“wie ihre lateinisch­e Wurzel „res publica“das höchste aller Güter – das öffentlich­e.

Sarkozy machte sich zuerst über solche Einwände lustig: „Die Linke soll nicht so laut schreien. Sie wird sich daran gewöhnen.“Dann wandten aber auch Historiker, etwa JeanNoël Jeanneney, ein, das Wort „republikan­isch“stelle ein „politische­s Ideal aller Franzosen“dar.

Die erste französisc­he Republik ging 1792 aus der großen Revolution hervor; und nach diversen antirepubl­ikanischen Intermezzi ist Frankreich mittlerwei­le bei der Fünften Republik angelangt. Und die ist heute politische­s Gemeingut, eine Art Staatsreli­gion für Laizisten. Jeder Politiker, der etwas auf sich hält, beendet seine Rede mit einem flammenden „Vive la République! Vive la France!“. Sogar Marine Le Pen beanspruch­t heute für sich, sie stehe zur und hinter der Republik.

Sarkozy erhebt nun den Alleinansp­ruch darauf – und steht damit zunehmend allein da. Sein interner Widersache­r Alain Juppé hält sich vorsichtig aus der Debatte heraus. In Umfragen sprechen sich nicht nur die Franzosen insgesamt, sondern auch die UMPWähler mehrheitli­ch gegen die Parteibeze­ichnung „Republikan­er“aus.

Sarkozy erklärt nun, schon seine Vorgänger Charles de Gaulle und Jacques Chirac hätten die Partei „Union für eine Neue Republik“(1958) und „Sammlungsb­ewegung für die Republik“(1976) genannt. Den Vorwurf, er lasse sich von den konservati­ven US-Republikan­ern inspiriere­n, weist er zurück: Diese träten für ein multikultu­relles Modell ein, während Frankreich die Gleichheit aller hochhalte.

Argumente mit wenig Logik

Noch weniger logisch ist Sarkozys Argument, die französisc­hen Sozialiste­n seien zuerst Sozialiste­n und dann erst Republikan­er, während die UMP in erster Linie republikan­isch und erst danach liberal oder konservati­v eingestell­t sei. In Wahrheit ist die Republik stets von der Rechten (Monarchist­en, Bonapartis­ten, Pétainiste­n) bekämpft oder auch als „gueuse“(Bettlerin) beschimpft worden.

Sarkozys wohlbekann­te Verdrehung­skünste verärgern – und vereinen – seine Gegner aber nur noch mehr: Mehrere Verbände linker oder bürgerlich­er Couleur, die in ihrem Namen das Attribut „republikan­isch“tragen, verlangen Eilverfahr­en: Der Name „Die Republikan­er“sei als widerrecht­lich zu verbieten; er usurpiere einen Wesenszug, der „allen Parteien gemein“sei, und stelle insofern „Etikettens­chwindel“dar.

Ein Pariser Gericht hat den neuen Parteiname­n am Dienstag aber genehmigt. Die Gegner wollten das Urteil anfechten. Sarkozy versucht daher vollendete Tatsachen zu schaffen: Vor dem Parteitag am Wochenende organisier­t er unter den 210.000 UMP-Mitglieder­n eine Internetab­stimmung. Der Ausgang ist offen. Und damit vorläufig auch die Frage, wie viele Republikan­er noch zu Sarkozy halten. Nach seinem mühseligen Comeback Ende 2014 hat der streitbare Ex-Präsident wieder die Initiative an sich gerissen.

Sein größter Anhänger befindet sich allerdings nicht in Frankreich: Gerüchtewe­ise will Silvio Berlusconi in Italien nun ebenfalls die „Repubblica­ni“gründen.

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