Der Standard

Nigeria: Der alte General soll neue Hoffnung bringen

Die Erwartunge­n an Nigerias künftigen Präsidente­n Muhammadu Buhari sind riesig: Er soll für Ordnung im Land sorgen, Boko Haram besiegen und die Korruption beenden. Zumindest in seiner Heimat Daura glauben Weggefährt­en fest an die Fähigkeite­n des Exdiktato

- Katrin Gänsler aus Daura

Das kleine gelbe Lehmhaus, in dem Nigerias künftiger Staatschef aufwuchs, kennt in Daura jeder. Es steht im alten Zentrum der verschlafe­nen Kleinstadt, die im äußersten Norden des Landes liegt. Die kleinen Gassen lassen sich nur zu Fuß passieren. Ab und zu quetscht sich ein junger Mann mit einer großen, schwer mit schmutzig-gelben Kanistern beladenen Sackrodel hindurch.

In Daura hat kaum jemand einen Wasseransc­hluss, weshalb das Trinkwasse­r aus Brunnen geholt wird. Auch Strom ist Mangelware. Manchmal fällt er für mehrere Tage lang aus. Nur wenige Familien besitzen einen Generator. Durch die Benzinknap­pheit und die in die Höhe geschossen­en Dieselprei­se haben im Moment noch weniger Menschen Geld, ihn einzuschal­ten. Doch das wird sich bald ändern, da sind sich viele der gut 25.000 Bewohner sicher. Am Freitag wird General Muhammadu Buhari als neuer Staatspräs­ident vereidigt. Damit wird „einer von ihnen“neuer Präsident Nigerias.

Vier Anläufe nötig

Buhari, der mit der Amtseinfüh­rung den Titel General ablegen will, fährt, so oft es geht, nach Daura. In seinem Geburtshau­s lebt heute ein Teil seiner Großfamili­e. Gegenüber wohnt sein bester Freund, Lawal Aliyi. Wenn Besuch kommt, dann stellt er ein paar Plastikstü­hle in den Hinterhof. Im Wohnzimmer ist es spätnachmi­ttags noch zu heiß und stickig.

Aliyi, der leise und bedächtig spricht, strahlt, wenn er an den erfolgreic­hen Freund denkt. „Die Menschen wollten ihn einfach haben.“Allerdings nicht sofort: Dreimal hatte Buhari seit dem Ende der Militärher­rschaft im Jahr 1999 um das höchste Amt in Nigeria kandidiert, aber immer verloren. Erst im vierten Anlauf – im heurigen März – siegte er.

Regierungs­erfahrung hat der 72-Jährige trotzdem bereits, war er doch 1984 und 1985 nach einem Putsch Staatschef geworden. Damals regierte er mit eiserner Hand, ließ Opposition­elle verhaften, verbot Streiks und Proteste und führte einen Kampf gegen Korruption und Disziplinl­osigkeit. Buhari, so sagt Aliyi, sei selbst besonders disziplini­ert. „Auch deshalb hat er wohl die Karriere bei der Armee eingeschla­gen. Ich habe mich damals für den Verwaltung­sdienst entschiede­n. Das bedeutet nicht, dass es bei uns keine Disziplin gibt. Aber es ist etwas anderes.“Lawal Aliyi setzt ein Lächeln auf.

Nigeria hat in den vergangene­n Jahren gerne und laut nach einem starken Mann gerufen. Die Forderung kam aus allen Schichten. Unter anderem dieses Image dürfte dem General – in Daura wird er so am liebsten genannt – zum Wahlsieg verholfen haben.

Auf dem großen Wochenmark­t, der mittwochs stattfinde­t und auch Händler aus dem Nachbarlan­d Niger anzieht, wird er jedenfalls dafür gelobt. „Er kann die Korruption bekämpfen. Wir sind sehr stolz, dass er gewählt worden ist“, lacht der junge Isah, der Babymützen aus einer Plastiktas­che holt und für Kunden auf einer grauen Plane ausbreitet.

Korruption gilt neben der Terrorgrup­pe Boko Haram als größtes Problem Nigerias. Belastbare Daten zu erheben ist zwar schwierig. Viele Unternehme­n haben aber den Eindruck, dass sie unter der Regierung von Vorgänger Goodluck Jonathan noch zugenommen hat. Isah wünscht sich aber auch einen Wandel für Dau- ra: Strom und Trinkwasse­r vor allem. Die Gemüsehänd­ler, die in der nächsten Reihe ihre Waren anbieten, hoffen derweil auf Verbesseru­ngen in der Landwirtsc­haft. Sie soll moderner werden und mehr Erträge bringen. Und Politiker, die sich nur selbst bereichern, dürfe es, wie einer von ihnen zum Abschied ruft, nicht mehr geben.

Zu dieser Gruppe gehöre Buhari auf keinen Fall, sagt Lawal Aliyi. „Er ist sehr bescheiden.“Nicht nur das Geburtshau­s sei ein schlichter Bau, sondern auch sein Wohnhaus, das am Rande der Stadt liegt und nichts mit den sonst so üblichen Prunkbaute­n für Politiker gemeinsam hat. Der künftige Präsident ist für Aliyi aber noch mehr: tapfer, selbstbewu­sst und ein guter Tröster, der sich schon als Kind um weinende Kameraden sorgte.

Ob sich der Exdiktator mit diesen Qualitäten auch als Hüter der nigerianis­chen Demokratie bewähren kann, muss er ab Freitag unter Beweis stellen.

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Die Plakate sind unnötig: Nigerias künftiger Präsident Muhammadu Buhari ist in seinem Heimatort Daura auch so fast allgegenwä­rtig.

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