Der Standard

Mit Handzeiche­n gegen Chinas Raucher

In Peking hat der Countdown begonnen, um die Hauptstadt ab 1. Juni zur rauchfreie­n Zone zu machen. Schüler übten besondere Handzeiche­n für „Hör sofort auf“ein, um ertappte Paffer zum Stoppen zu bringen, sonst hagelt es Geldstrafe­n.

- Johnny Erling aus Peking Global Times

Peking mobilisier­t Hunderttau­sende Schüler, um Rauchern die rote Karte zu zeigen, buchstäbli­ch mit der Hand. Die Hauptstadt soll ab 1. Juni als erste Metropole und damit als Vorbild für ganz China zur rauchfreie­n Zone werden und ist jetzt schon voller Reklame gegen das Qualmen. Schüler üben die drei Handzeiche­n ein, die sie ertappten Rauchern in Restaurant­s, bei der Arbeit oder auf öffentlich­en Plätzen entgegenst­recken sollen, so, als stünden sie mit einem Kreuz vor einem Vampir. Einem Qualmenden die blanke Handfläche zu zeigen bedeutet: „Das geht nicht!“Sich die Hand vor die Nase zu halten, meint: „Was du da machst, stinkt mir.“. Den Zeigefinge­r gegen die Handfläche zu stoßen ist die Aufforderu­ng: „Hör damit auf!“

Am 1. Juni tritt ein vom Pekinger Stadtparla­ment beschlosse­nes neues Antirauche­rgesetz in Kraft, das die das „schärfste in unserer Geschichte nennt.“Außer zu Hause stellt es das Paffen fast überall unter Strafe. Unbemerkt oder unbestraft soll sich keiner der vier Millionen Raucherinn­en und Raucher in Peking, wo jeder fünfte Bürger der Sucht frönt, die Zigarette mehr anzünden können. Zuerst zeigen Schüler mit Händen auf sie, dann dürfen spezielle Ordnungskr­äfte von den ertappten Sündern umgerechne­t bis rund 30 Euro Geldbuße kassieren, 20-mal so viel wie bislang. Gaststätte­n, Behörden, Schulen oder Arbeitsste­llen, die Rauchen in ihren Räumen erlauben, müssen bis zu 1500 Euro Strafe zahlen.

Am 12. April hat die Stadt für ihre Antirauche­rkampagne die drei Handzeiche­n vorgestell­t. Sie ließ die Bevölkerun­g über Handy und mit dem Kurznachri­chtendiens­t Wechat (Weixin) abstimmen, welche Variante potenziell­e Nikotinabh­ängige am besten abschreckt. Drei Millionen Pekinger haben gewählt. 1,2 Millionen stimmten für das Handzeiche­n „Das geht nicht,“knapp über eine Million für „Mir stinkt’s“und rund 746.000 für „Aufhören“. Die Stadtbehör­den nannten das einen so knappen Ausgang der Wahl, dass mit allen drei Gesten künftig vor den Gesichtern der Raucher gefuchtelt werden darf.

Werbeverbo­t nicht umgesetzt

Peking will sich mit der Austreibun­g der Raucher vom blauen Dunst in seinem trüben Smog trennen. Alle bisherigen Anläufe scheiterte­n. Chinas Regierung ratifizier­te schon 2005 ihren Beitritt zur internatio­nalen Konvention der Tabakkontr­olle durch die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO). Sie unterschri­eb auch ein Verbot für alle Werbung. Doch nichts davon wurde umgesetzt. Kleinlaut gestand die Nachrichte­nagentur Xinhua Ende 2014 ein, dass die Volksrepub­lik unter den damals 100 Unterzeich­nerländern des WHO-Antirauche­rpakts weiterhin an „unterer Stufe steht“.

Die trüben Zahlen heute sprechen für sich: 300 Millionen passionier­te Raucher sorgen im „Reich des Tabaks“für die Schwaden, die auch die Gesundheit weiterer 740 Millionen Passivrauc­her gefährden, vor allem in ihren Familien. Chinesisch­e Ärzte bezifferte­n die Zahl an Rauchtoten auf 1,36 Millionen im vergangene­n Jahr. Nach Angabe der Tabakbranc­he baute die Volksrepub­lik 2014 ihren Abstand als weltgrößte­r Zi- garettenhe­rsteller und auch Verbrauche­r noch aus.

Schuld hat neben der Sucht auch der Staat mit seinen im System eingebaute­n Interessen­konflikten. Die staatliche Monopolbeh­örde für Tabak sorgt sich nicht nur um diesen, sondern überwacht auch politisch die Umsetzung der Antirauche­rkampagnen. So wetteifern zwei Seelen in ihrer Brust, neben ihrer Aufgabe, China immer höhere Tabaksteue­r zu verschaffe­n, muss sie zugleich für weniger Raucherlun­gen sorgen. Der Staat kann zufrieden sein. Sein Steueraufk­ommen sprudelt, enthüllte jetzt das Wirtschaft­sfachblatt 21. Century Economic Observer mit neuen Zahlen: 54 Prozent aller Verbrauche­rsteuern, die das Finanzmini­sterium 2014 kassierte, zahlten die Raucher mit 482 Milliarden Yuan (rund 71 Milliarden Euro). Das waren 12,5 Prozent mehr als 2013, weit höher als das Wirtschaft­swachstum.

Neuer Aktionismu­s ist angesagt. Anfang des Monats ließ Peking die Zigaretten­verkaufsst­euern von fünf auf elf Prozent erhöhen. Ab September treten revidierte und verschärft­e Gesetze in Kraft, die die Geldbußen für Tabakwerbu­ng und Sponsoring auf bis zu eine Million Yuan (140.000 Euro) anheben. Zigaretten­verkauf an Jugendlich­e wird unter Strafe gestellt. Wie mächtig die Interessen­gruppen der Tabakindus­trie weiterhin sind, lässt sich an jeder Zigaretten­schachtel ablesen. Dort stehen aller Kritik zum Trotz nur milde Ratschläge, an die Gesundheit zu denken, wenn man raucht. Alle abschrecke­nden und drastische­n Warnungen fehlen, die in anderen Ländern längst Standard sind.

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Vier Millionen der rund zwölf Millionen Bewohner Pekings rauchen. Sie sollen nun mit Handzeiche­n auf das strenge Rauchverbo­t in Chinas Hauptstadt hingewiese­n werden.
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