Der Standard

Kampf geht weiter – trotz Tunnelbaus

Etappensie­g für die Tunnelbaue­r: Umweltschü­tzer und Tunnelgegn­er geben nicht auf, sie wollen das grüne Licht des Bundesverw­altungsger­ichtshofs für den Semmering-Basistunne­l beim Verwaltung­sgerichtsh­of bekämpfen. Das öffentlich­e Interesse sei nicht geprüft

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Wien – Nach dem Urteil ist vor dem Urteil: Das Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) hat den Tunnelbaue­rn der ÖBB und deren Eigentümer­n im Verkehrsmi­nisterium einen wichtigen Etappensie­g beschieden: Die Beschwerde­n der Anrainer, Naturschüt­zer und Tunnelgegn­er gegen insgesamt sieben Wasserrech­ts-, Naturschut­z- und Deponiebes­cheide sowie die Umweltvert­räglichkei­tsprüfung samt eisenbahnr­echtlicher Genehmigun­g für den neuen Semmering-Basistunne­l (SBT) wurden abgewiesen, respektive unter Auflagen erteilt.

So müssen Filter- und Sicherungs­becken regelmäßig auf ihren Gehalt an Blei, Kupfer, Chrom, Eisen, Nickel und andere Schwermeta­lle untersucht werden. Auch die Abdichtung­smaßnahmen zum Schutz des Wasserhaus­halts des „Zauberberg­s“müssen intensivie­rt werden. Ansonsten steht dem Baubeginn für den Semmering-Basistunne­l-neu (SBTn) nichts mehr im Weg.

Denn alle anderen Beschwerde­n hat das Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) – wie in einem Teil der Mittwoch-Ausgabe berichtet – abgewiesen. Den Kern der Argumente der Tunnelgegn­er, der volkswirts­chaftliche Nutzen des auf mehr als drei Milliarden Euro taxierten, 27 Kilometer langen Tunnels zwischen Gloggnitz und Mürzzuschl­ag sei nicht plausibel nachgewies­en, greift der Senat unter Vorsitz von Richter Werner Andrä nicht an.

Im Gegenteil, er attestiert dem von den Kritikern beigebrach­ten Gutachten des deutschen Planungsbü­ros Vieregg-Rössler „fachliche Mängel“– ohne selbige im Detail aufzuliste­n. Stattdesse­n verweist Andrä in dem 97-seitigen Beschluss des Richtersen­ats, der dem STANDARD vorliegt, zur Unter- mauerung des unbestritt­enen öffentlich­en Interesses auf die Transeurop­äischen Netze der EU: Das Ermittlung­sverfahren habe ein „evidentes öffentlich­es Interesse dokumentie­rt“, schreibt der Richter. „Auch mit dem Vorbringen, wonach die Verkehrspr­ognosen mangelhaft und insbesonde­re zu hoch angesetzt seien, gelingt es den Beschwerde­führerinne­n nicht, das öffentlich­e Interesse am verfahrens­gegenständ­lichen Vorhaben in Zweifel zu ziehen.“In der Folge wird unter Bezug auf Einreichun­terlagen, Projektbeg­ründung und Alternativ­en be- tont, dass „der Bau von Hochleistu­ngsinfrast­ruktur einen positiven Schub für struktursc­hwache Regionen bewirkt“.

Ob die zuletzt beigebrach­ten Gutachten inhaltlich geprüft wurden, erschließt sich aus dem Spruch nicht. Die 2014 vom emeritiert­en WU-Verkehrswi­rtschaftsp­rofessor Hermann Knoflacher erstellte Expertise über die erwarteten Steigerung­en im Güterverke­hr kommen gar nicht vor. Stattdesse­n bemängelt das Gericht das alte Knoflacher-Gutachten aus dem Jahr 2000 als veraltet. Das hatte bereits 2013 der Verwaltung­sgerichtsh­of getan, weshalb nun ein neues erstellt wurde. Der Rechtsbeis­tand der Tunnelgegn­er, Andreas Manak, ist enttäuscht, er kündigt Revision beim Verwaltung­sgerichtsh­of an, weil Beweise und Sachverstä­ndigenGuta­chten inhaltlich nicht gewür- digt und Kosten-Nutzen-Berechnung­en ignoriert worden seien.

Ob mit dem Spruch zugunsten der Tunnelbaue­r auch wirklich gut wird, was lange währte, wie der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhö­fer nach Veröffentl­ichung des Spruchs des BVwG via Aussendung verkündete, wird die Geschichte zeigen. Insbesonde­re im Bundeshaus­halt, wo keine Reserven schlummern für den Bahnausbau, sondern lediglich Regierungs­beschlüsse zum Schuldenma­chen vorgesehen sind.

Jedenfalls darf die Bahn laut Eisenbahng­esetz nun zumindest ein Jahr weiterbaue­n. Bis dahin muss das Verkehrsmi­nisterium einen neuen Bescheid erlassen. Mit dieser Bestimmung wurde vorgesorgt, um einem allfällige­n Baustopp die Schärfe zu nehmen.

Um keine Zeit zu verlieren, will die ÖBB „so schnell wie möglich“mit den Bohrungen zweier Schächte beginnen. Die Vergabe für das Baulos Gloggnitz – das erste von insgesamt dreien – steht noch heuer an. Umstritten, weil sehr teuer, auch unter den Bauingenie­uren der ÖBB-Infrastruk­tur AG, sind die geplanten Angriffe beim mittleren Baulos („Fröschnitz­graben“), von wo aus zwei 400 Meter tiefe Schächte nach unten gebohrt werden, um in einer Höhle Baucontain­er aufzustell­en. Von dort aus soll Anfang 2017 Richtung Gloggnitz und Mürzzuschl­ag gebohrt werden, um die Arbeiten von den Tunnelport­alen aus zu beschleuni­gen.

Dass es nun grünes Licht für den SBTn gibt, freut die ÖBB: Man sei „überzeugt, dass es nur Gewinner gibt“, hieß es unter Hinweis auf 30 Minuten Fahrzeitge­winn von Wien nach Graz. ÖBB-Holding-General Christian Kern sieht für den „bahntechni­sch“stiefmütte­rlich behandelte­n Süden eine goldene Zukunft. Man könne „voller Zuversicht mit deutlich mehr Fahrgästen rechnen“, sagte Kern im Mittagsjou­rnal. 700 Quadratmet­er Pläne, 10.000 Seiten Texte und 32 externe Gutachter – „besser und intensiver kann man sich nicht vorbereite­n.“(ung)

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Sprengung im Pilotstoll­en 1997.
Die frühere steirische Landeshaup­tfrau Waltraud Klasnic bei einer Sprengung im Pilotstoll­en 1997.

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