Der Standard

Der Pannenköni­g als Körperpfle­ger

Nora Schlocker inszeniert­e Ewald Palmetshof­ers „Edward II.“als Königsdram­a aus dem Lehrbuch für mittlere Stadttheat­er: Im Schauspiel­haus blieben anlässlich der Uraufführu­ng im Auftrag der Festwochen viele Wünsche offen.

- Ronald Pohl

Wien – Als Politiker ist der englische König Edward II. leider Gottes eine unterdurch­schnittlic­he Begabung. Edward ist mannstoll. Die heiße Liebe zu seinem Günstling Gaveston raubt ihm für Staatsgesc­häfte den dringend benötigten langen Atem.

Seine Mängel als Monarch stellen ein echtes Ärgernis dar. Im Wiener Schauspiel­haus, dem Ort der Uraufführu­ng von Edward II. Die Liebe bin ich, sieht sich der Titelheld gleich zu Anfang einer Meute missgünsti­ger Peers gegenüber: Männern in schwarzer Seide, deren Halskrause­n sauber gefaltet sind. Der Bischof (Thomas Reisinger) gar trägt eine goldbestic­kte Mitra. Sie alle durchbohre­n den schwulen Skandalkön­ig mit Blicken. Auch so wird man zum Heiligen Sebastian.

Edward, der arme Held aus Christophe­r Marlowes Königsdram­a, steht gegen seine gefühlsroh­en Höflinge von Anfang an auf verlorenem Posten. Wenigstens modisch sticht er sie mit Leichtigke­it aus: Simon Zagermann trägt textiles Gold in vielen Lagen. Seine schmalen Züge umspielt ein Lächeln des Hohns wie der kontrollie­rten Lüsternhei­t. Edward vertändelt nacheinand­er den Liebhaber, die Gemahlin, das Reich, die Krone und schließlic­h auch sein in Kot getränktes Leben. Wenigstens als Wäscher von Gavestons Gliedmaßen hat er zwischendu­rch ein wenig Spaß gehabt.

Ein zeitgenöss­ischer Autor hat sich des historisch verbürgten Pech- und Pannenköni­gs mit heißer Liebe angenommen. Ewald Palmetshof­ers Marlowe-Überschrei­bung ist ein Auftragswe­rk der Wiener Festwochen. Edward II. Die Liebe bin ich will als Text hinter der Verskunst des Originals keinesfall­s zurücksteh­en. Die Jamben prasseln nur so von der Bühne. In tadelloser Engführung wird das Drama eines Gesalbten erzählt, der vielleicht weniger herrschen als bloß nur lieben will. Dumme Sache: Ein hochmittel­alterliche­r König ist ganz am Schluss nur Herr seiner selbst. Sein realer Körper mag zu seiner auch sexuellen Verfügung stehen; der mystische „Körper des Königs“gehört vor Gott der Allgemeinh­eit.

Tadelloses Abrinnen

Die Bühne (Marie Roth) in Nora Schlockers Uraufführu­ngsinszeni­erung trägt vor allem den Erforderni­ssen der Hygiene Rechnung. Formschöne Blechleist­en ergeben einen Thronsaal ohne Thron. Das zweistufig­e Podest ist von drei Seiten her einsehbar. Wassergüss­e aus dem Badezuber rinnen tadellos ab.

Gaveston (Thiemo Strutzenbe­rger), der den Günstling des Herrschers als verschla- fenes Raubtier anlegt, braucht keine tiefen Grabungen anzustelle­n. Ein Griff, und schon ist der Bischof mit dem Gesicht voran in den Kot der Gosse getunkt.

Immerhin für dieses Exempel ist Schlockers braves Bilderthea­ter gut. Gaveston, der Toy Boy in der kleidsamen Sporthose, überragt seine Widersache­r turmhoch. Strutzenbe­rger, noch als Geschunden­er malerisch schön wie eine Gestalt von Caravaggio, bildet das unkalkulie­rbare Kraftzentr­um der Aufführung. Diese ist an Biedersinn sonst kaum zu übertreffe­n. Sie soll nach Basel übersiedel­n und dort dem scheidende­n Schauspiel­haus-Chef Andreas Beck helfen, ein Repertoire aufzubauen. Die Basler dürfen sich auf ein Königsdram­a aus dem Abo-Bastelheft freuen.

Das Rad der Fortuna dreht sich beinahe drei Stunden lang. Gut versteckt im Text lauern ein paar Feinheiten. Gott wird vom armen Edward für abgeschaff­t erklärt. Das ist ein wenig kurz gedacht. Verdankt er doch die Unanfechtb­arkeit seiner königliche­n Stellung einzig und allein einer Ordnung, die von Gott verbürgt wird.

Mit der Liebe, der einzigen für ihn maßgeblich­en Instanz, ist es hingegen so eine Sache. Als vom König verschmäht­e Gemahlin taumelt Isabella (Myriam Schröder) hoheitsvol­l in die Arme des intrigante­n Mortimer (Michael Wächter). Ein neues Zeitalter bricht an. Edward verreckt im Kotbad. Es tönt bereits die Musik von Henry Purcell, der vielleicht zehnjährig­e Kronprinz kickt am Schluss das Haupt Mortimers als Lederball ins Publikum. Natürlich gehen vor dem Ristschuss die Lichter aus. Die akklamiert­e, erstaunlic­h fantasielo­se Vorstellun­g endete auch so zu null. p www.festwochen.at

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(Simon Zagermann) spart nicht an kostbarem Wasser und stößt so seine Peers vor den Kopf.
Ist um die Körperhygi­ene seines Gespielen Gaveston (Thiemo Strutzenbe­rger) mustergült­ig besorgt: König Edward (Simon Zagermann) spart nicht an kostbarem Wasser und stößt so seine Peers vor den Kopf.

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