Der Standard

Populisten leben länger

Mangelhaft­e Analyse: Nathalie Borgers Doku „Fang den Haider“

- Dominik Kamalzadeh Fang den Haider Kronen Zeitung Fang den Haider

Wien – Die Vorwahlzei­t war ihm am liebsten. Da ergaben sich die meisten Gelegenhei­ten für ein Bad in der Menge, um sich der Zustimmung der Bevölkerun­g zu vergewisse­rn. Peter Westenthal­er, ehemaliger FPÖ-Generalsek­retär, erzählt dies über Jörg Haider. Die Pointe: Immer dann, wenn keine Wahlzeit war, wurde dem Chef schnell fad. Westenthal­er: „Das war die Geburtsstu­nde der Volksbegeh­ren.“Ab sofort konnte der Zirkus nonstop spielen.

Weil sie einiges über das demokratis­che Selbstvers­tändnis der Freiheitli­chen entlarvt, ist dies eine der aufschluss­reicheren Passagen aus Nathalie Borgers Dokumentar­film. Die in Wien lebende Belgierin ist in

dem Phänomen des 2008 tödlich verunglück­ten Politikers auf der Spur. Posthum, weil sie ihm zu Lebzeiten nicht gegenübert­reten wollte, wie sie sagt. Haider ist für sie der Pionier des mittlerwei­le europaweit grassieren­den Rechtspopu­lismus. Ein Verführer, dessen Handwerk sie durchschau­en, dessen Ausstrahlu­ng sie durchdring­en will. Wie schon in ihrem Film (2002) nimmt Borgers die Position der Außenstehe­nden ein. Bei dem Porträt des Boulevardb­latts hat ihr das ungewöhnli­che Einblicke ermöglicht; hier nutzt es sich schnell ab, wirkt aufgesetzt, sogar überheblic­h.

Kerzen und Herzen

Das Problem beginnt damit, dass Haiders Aura von ihr noch verlängert wird. Borgers nähert sich ihm über Menschen, die mit ihm arbeiteten oder die den „Landeshaup­tmann der Herzen“aus anderen Gründen in guter Erinnerung haben. Haiders Tod, das zeigt der Film, hat seinen Mythos noch einzementi­ert. Nicht nur die Kerzen gehen am Unglücksor­t nicht aus, auch in den Wählern glüht die Faszinatio­n für den Volkstribu­nen weiter. Borgers tritt ihren Interviewt­en zu wenig energisch entgegen. Wer Statements abfischt, sie unzureiche­nd kontextual­isiert, stellt höchstens Einfalt aus.

Haiders Methode kommt man damit allerdings kaum näher, allenfalls indirekt: Wenn Heide Schmidt mit gespielter Entrüstung über ihre FPÖ-Vergangenh­eit spricht, wird zumindest deutlich, wie geschickt Haider sie einst zu instrument­alisieren wusste. Borgers Besuche bei seiner Schwester und Mutter – Apfelstrud­elrezept inklusive – fallen dagegen unangenehm auf, weil private Erinnerung­en Angehörige­r in einer Analyse fehlplatzi­ert wirken. Es hätte einer grundlegen­den Auseinande­rsetzung mit den Auswirkung­en der Haider’schen Politik bedurft: Die Hypo-Insolvenz wird nur am Ende angestreif­t. ist eine vergebene Chance. Ab Freitag im Kino

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seiner Buberln in „Fang den Haider“.
Foto: Filmladen Der Chef singt mit: Jörg Haider mit zwei seiner Buberln in „Fang den Haider“.

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