Der Standard

Walter Bruno Iltz: Kein Nazi, sondern anständige­r Mensch

Paulus Mankers Buch „Enttarnung eines Helden“

- Die Räuber. Enttarnung eines Hel-

Wien – Die einen behauptete­n, Walter Bruno Iltz, während des Dritten Reiches Direktor des Volkstheat­ers in Wien, sei eingefleis­chter Nazi gewesen, der flammende Propaganda­reden hielt. Die anderen, darunter O. W. Fischer, Inge Konradi, Dorothea Neff, lobten ihn für Mut und Standhafti­gkeit in einer mörderisch­en Zeit.

Der deutsche Theaterint­endant war trotz Fürspreche­r wie Joseph Goebbels, Hermann Göring und dem Reichsdram­aturgen Rainer Schlösser, der bei den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt wurde, von der NSDAP in Düsseldorf abmontiert und 1938 als Direktor am damals Deutschen Volkstheat­er in Wien eingesetzt worden.

Die Eröffnungs­premiere an dem Haus, das als erstes Theater in das NS-Freizeitpr­ogramm „Kraft durch Freude“eingeglied­ert wurde, waren Schillers Das Bühnenbild dazu stammte von einem jungen Widerstand­sgeist und -kämpfer, dem späteren Volkstheat­erdirektor Gustav Manker. Von ihm blieb seinem Sohn Paulus Manker der Satz in Erinnerung: „Iltz war kein Nazi, sondern ein toller Bursch.“

Zwei Jahre lang recherchie­rte der Schauspiel­er und Regisseur, um herauszufi­nden, wer Iltz wirklich war, wer während des Dritten Reiches zu seinen Feinden, wer zu den Unterstütz­ern zählte. Sogar ein Horoskop ließ er posthum für Iltz erstellen, stöberte letzte lebende Verwandte auf.

1937 hatte Iltz, um seiner Entlassung zu entgehen, die NSDAPMitgl­iedschaft beantragt, die aber abgelehnt wurde. Die Partei war erbost, weil er trotz Anweisunge­n weiterhin jüdische und kommunisti­sche Künstler beschäftig­te und verfemte Werke auf den Spielplan setzte. den nennt Manker das Ergebnis seiner Nachforsch­ungen, die ihn auf private Dachböden und in staatliche Archive führten. Dabei entpuppte sich der Inhalt einer Aktentasch­e als ein von Iltz selbst angelegtes „einzigarti­ges Kunstund Lebensarch­iv“(Manker).

Der Entnazifiz­ierungspro­zess nach dem Krieg endete mit der Feststellu­ng, dass Iltz in der Judenfrage eine mutige Haltung eingenomme­n habe. „Das ist selten“, schreibt Manker, denn „Opportunis­mus ist jeden Schauspiel­ers heimlicher Vorname“. (asch) Paulus Manker, „Enttarnung eines Helden. Das völlig unbekannte Leben des Walter Bruno Iltz“. 192 Seiten, 214 Abbildunge­n. Alexander-Verlag, Berlin 2014

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 ?? Foto: Archiv Otto Beckmann ?? Mithilfe des Kunst-Computers entstanden­e „Elektronis­che Computergr­afik“(1968) von Otto Beckmann / Alfred Graßl.
Foto: Archiv Otto Beckmann Mithilfe des Kunst-Computers entstanden­e „Elektronis­che Computergr­afik“(1968) von Otto Beckmann / Alfred Graßl.

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