Der Standard

Ästhetisch­e Verfügungs­gewalt des Rechners

Frühe österreich­ische Computerku­nst in Linz

- Roman Gerold

Linz – Wenn man als österreich­ischer Künstler in den 1960er-Jahren den Computer verwendete, zog man leicht Skepsis auf sich. Laut Zeitgeist war Kunst etwas Menschlich­es, etwas, worin Maschinen nichts verloren hatten. Dass man per Rechner unzählige Bilder in kürzester Zeit schaffen konnte, widersprac­h der Idee vom expressive­n Genie, das sich seine Werke mühevoll abringt.

Wie viele Künstler demgegenüb­er zwischen den Sphären des Technisch-rationalen und des Sinnlichen zu vermitteln suchten, davon zeugt derzeit ein Kleinod von einer Ausstellun­g in Linz. Die selbständi­ge Kuratorin Angela Stief, die ihre Projekte zwischen Museum und Galerie ansiedelt, hat in der „Temporären Halle für Kunst“, einer revitalisi­erten, ehemaligen Industrieh­alle im Viertel hinter dem Bahnhof, einen Überblick über frühe österreich­ische Computerku­nst und einige ihrer Sprosse realisiert.

In Serendipit­ät entführen elf Positionen in wenig erschlosse­ne Bereiche der Kunstgesch­ichte. Der Begriff Serendipit­ät meint einen zufälligen, glückliche­n Fund. Denn: Tatsächlic­h diente der Computer anfangs vor allem dem Spenden von Ideen. Der tschechisc­he Maler und Bildhauer Zdeněk Sýkora etwa ließ sich die Bauprinzip­ien für seine Werke berechnen, die er dann händisch umsetzte. Die Bedienung des Rechners soll er ganz einem Freund überlassen haben.

Demgegenüb­er entwickelt­en Otto und Oskar Beckmann einen „Kunstcompu­ter“, der auf eigene Faust Bilder ausspuckte. Die menschlich­en Eingriffsm­öglichkeit­en beschränkt­en sich auf das Drehen einzelner Regler. Was herauskam, bezogen die Beckmanns indes wiederum auf die Realität: So überlagert­en sie etwa die Resultate des Kunstcompu­ters mit Fotos, um die geschwunge­nen, abstrakten Formen wie utopische Architektu­r aussehen zu lassen.

Ein Sonderfall ist schließlic­h Marc Adrian: Er gehörte zu jenen, die früh die soziopolit­ische Tragweite der neuen Technologi­en kritisiert­en; eine Gefahr sah er etwa darin, dass der Computer es der Kulturindu­strie ermögliche, dieselben Bausteine immerfort zu rekombinie­ren und dieserart das Publikum zu verdummen.

Die Arbeiten, mit denen Adrian in dieser sehenswert­en Schau vertreten ist, sind denn auch eher ein im Analogen angesiedel­ter, treffender Kommentar auf die neuen Technologi­en. Seine Hinterglas­bilder, die sich aufgrund optischer Brechung in immer neuer Form zeigen, referieren auf die Pixelästhe­tik. Vor allem aber sind sie eine Schule des Sehens. Bis 14. 6.

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