„Für uns war das Regionale die einzige Chance“
Im Juni startet Marcin Kotlowski einen Sat-Kanal österreichischer Regionalsender. Und er hat noch ganz andere TV-Pläne. Da meine er nicht den ORF, sagt der W24-Chef und Medienmanager der Wien Holding.
INTERVIEW:
Standard: Wer ins Fernsehland Österreich schaut, kommt gerade aus dem Regionalen kaum heraus. Wie geht es denn einem großstädtischen Lokalsender wie W24, wenn Riesen wie Mateschitz, Dichand und ORF, womöglich auch Fellner und andere Ihr kleines Geschäftsfeld beackern? Man könnte, ganz unregional, von einem Hype sprechen – woher kommt der? Kotlowski: Wir haben das Regionale ja schon vor zwei Jahren für uns entdeckt und ...
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Standard: ren’s also! Kotlowski: Im Ernst: In einer so globalisierten Welt wird das Zuhause wichtiger – nehmen Sie Essen, Mode, Musik. Überall zeigt sich ein Wunsch nach Nähe. Und es ist zehnmal billiger geworden, Bewegtbilder zu produzieren, die Ansprüchen des Fernsehens gerecht werden. Sie haben jetzt in jedem Handy eine HD-Kamera. Und Sie können diese Bilder nicht nur über klassisches Fernsehen anbieten, sondern auch über Onlinekanäle – wann und wo immer das Publikum sie sucht oder findet. Und für W24 gilt: Wir hatten keine andere Wahl – für uns war das Regionale die einzige Chance. Standard: Und dann gründen Sie als nächsten Schritt eine nationale Werbevermarktung und einen überregionalen Satellitensender? Kotlowski: Wir sind so regional wie nur möglich in unseren Inhalten. Aber wir sind so überregional wie möglich in unserer Vermarktung - mit R9. Denn: Österreichs Fernsehmarkt ist relativ klein – und relativ jung. Wir haben sehr spät liberalisiert – zwölf Jahre später selbst als Griechenland ...
Standard: Sie starten am 7. September mit R9 TV, erste Ausläufer soll es ab Ende Juni geben. Was wird man da zu sehen bekommen? 48-mal am Tag „Österreichblick“, das gemeinsame Magazin der R9-Sender? Kotlowski: Ab Juni werden auch erste R9Sender ihre regionalen Inhalte zuliefern. Im Vollbetrieb hat jeder der neun Regionalkanäle einen täglichen Fixplatz im Programm von R9 TV. Um zehn Uhr früh und in der Nacht läuft Österreich Blick.
Standard: Wie sehen Sie denn die Pläne des ORF für regionales Frühstücksfernsehen? Kotlowski: Grundsätzlich gilt für mich: Was den regionalen Markt weiterentwickelt, hilft längerfristig auch den Regionalsendern. Wenn sich der ORF stärker regional engagiert, lernen Kunden und lernt das Publikum. Die wenigsten regionalen Werbekunden werden zum nationalen Frühstücksfernsehen wechseln. Dann doch lieber eine gesetzliche Verpflichtung des ORF, 20 Stunden in der Woche bei regionalen Produzenten zuzukaufen. Das würde allen helfen. Wir produzieren zu einem Fünftel der ORF-Kosten. Und um die Landesstudios würde sich eine Produktionslandschaft entwickeln. Standard: Da klingen Sie ein bisschen wie ein ORF-Manager. Sie gelten als sozialdemokratische Personalhoffnung: Üben Sie hier für den ORF? Kotlowski: Das ist für mich überhaupt kein Thema. Die Wien Holding hat in Medien und Technologie wirklich spannende Möglichkeiten.
Standard: Mit den Themen würde sich der ORF auch beschäftigen. Kotlowski: Natürlich, aber als breit aufgestellter Konzern sehen wir im Mediencluster in naher Zukunft völlige neue Märkte und weitergehende Synergien. Mit der Stadt Wien haben wir einen Eigentümer, der hier auch Ausprobieren und strategische Weiterentwicklung ermöglicht und einfordert. Im Grunde geht es um Smart TV und Digitalvideo. In fünf Jahren wird das Kerngeschäft nicht mehr lineares Fernsehen sein – wie bei den anderen Regionalsendern, wenn sie es richtig machen.
Standard: Sondern? Kotlowski: Wir müssen zu Bewegtbildproduzenten mit dem wichtigsten Ausspielkanal Handy und andere mobile Geräte werden. Darin steckt noch viel Fantasie, auch für die Vermarktung.
Standard: Klingt nach einer Art Mediathek, einer digitalen Plattform der Regionalsender. Kotlowski: Richtig aufbereitet kann man das gesamte Material auch auf jenen Kanälen verwenden, die gerade hip sind – ob das Facebook, Youtube, Snapchat, mobile Seiten oder Apps sind. Man produziert nicht mehr allein fürs Fernsehen, sondern für das gesamte Marketingbudget. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer wollen 24 Stunden am Tag darauf zugreifen können, wann eben sie wollen.
Dann lieber eine Verpflichtung des ORF, 20 Stunden pro Woche bei
regionalen Produzenten einzukaufen.
MARCIN KOTLOWSKI (38) führt seit 2011 die Medienholding der Wien Holding, den Stadtsender W24 und seit 2013 den Regionalsenderverbund R9. Davor war der Betriebswirt Pressesprecher von Werner Faymann und Josef Ostermayer, heute Kanzler und Medienminister, und der SPÖ. p Warum Wien Fernsehen macht:
derStandard.at/Etat