Der Standard

Mächtig ist Blatters Chuzpe

Kaum vorstellba­r, was der Fifa-Präsident in vier weiteren Jahren anrichten könnte

- Fritz Neumann

Neben korrupt ist es vor allem ein Adjektiv, das im Zusammenha­ng mit Joseph Blatter besonders häufig fällt: mächtig. Der mächtige Präsident, der mächtige Schweizer, der mächtige Sepp. Angesichts der aktuellen Entwicklun­gen sollte man endlich ein „ohn“voranstell­en. Unmittelba­r vor seiner neuerliche­n Wiederwahl, die nur eine Formsache schien, haben US-amerikanis­che und Schweizer Behörden zu einem gemeinsame­n schweren Schlag gegen den FußballWel­tverband – und somit gegen Blatter – ausgeholt.

Insgesamt sieben Personen, aktuelle oder ehemalige hochrangig­e Fußball-Funktionär­e, wurden in Zürich festgenomm­en, unter ihnen die FifaVizepr­äsidenten Jeffrey Webb von den Cayman Islands und Eugenio Figueredo, der Präsident des uruguayisc­hen Verbands. Die Vorwürfe der US-Justiz – organisier­tes Verbrechen, Betrug, Geldwäsche, Bestechung – betreffen vor allem Verbände in Nord-, Zentralund Südamerika sowie der Karibik. Zu den Festgenomm­enen, deren flotte Auslieferu­ng die USA begehren, zählen auch die amtierende­n Präsidente­n der Verbände Venezuelas, Costa Ricas und Nicaraguas. Ihnen drohen Haftstrafe­n von bis zu 20 Jahren. Das USJustizmi­nisterium geht auch davon aus, dass bei WM-Vergaben sowie bei der Fifa-Präsidents­chaftswahl 2011 illegal Gelder flossen. ür alle An- und Abgeführte­n gilt die Unschuldsv­ermutung. Blatter gab immer schon die Unschuld in Person und überstand noch jeden Skandal. Kein Wunder, dass sich Sylvia Schenk, die bei Transparen­cy Internatio­nal die Arbeitsgru­ppe Sport leitet, vorstellen kann, die Krise könnte Blatter stärken. „Viele Delegierte könnten sich nach einem sehnen, der weiß, wie er die Fifa zu führen hat.“Weiß Blatter das wirklich? Zweifel sind angebracht. Wenn sonst alles von ihm abprallt, so muss er sich spätestens jetzt den Vorwurf der Führungssc­hwäche gefallen lassen. Sie hat ein Ausmaß erreicht, das die Fifa nicht länger aushalten kann.

Ein Chef, der eine Führungsri­ege aufbaut oder zulässt, unter der sein Unternehme­n verkommt, wie seit Jahren schon Skandale (samt Verurteilu­ngen) belegen, ist ein schwacher, ein schlechter Chef. Blatter hat sich nach den WM-Vergaben für 2018 und 2022 damit abgeputzt, er selbst habe

FRussland und Katar als Gastgeber nicht forciert. Goutiert hat er sie sehr wohl, kutschiert wurde er auch. Schwacher, schlechter Chef.

Am Mittwoch hielt die Fifa-Führung an der für Freitag geplanten Wahl fest. Blatter, der schon jüngst bei Pressekonf­erenzen nicht mehr wusste, wie er mit kritischen Fragen umgehen sollte, hatte nicht den Mumm, sich selbst zu stellen, sondern schickte einen Fifa-Sprecher vor. Schwacher Chef. Er versucht es noch als seinen Erfolg zu verkaufen, dass in seinem engsten Umfeld auf Teufel komm raus verhaftet wird. Schlechter Chef.

Jemand mit dieser Chuzpe macht den Weg nicht von sich aus frei. Der europäisch­e Verband (Uefa) wäre gefragt, die Landesverb­ände (Deutschlan­d, Spanien, Italien, England, Frankreich, Niederland­e) wären gefragt, eine fünfte Amtszeit Blatters nicht zuzulassen. Zweifel sind angebracht. Kaum vorstellba­r, was der seit 1998 wirkende Blatter (79) in vier weiteren Jahren anrichten und welchen Nachfolger er aufbauen würde. Gegenkandi­dat ist allein der jordanisch­e Prinz Ali bin Al Hussein. Mag sein, keine sehr starke Alternativ­e. Aber er ist die einzige. Ansonsten hält die Ohnmacht an.

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