Medienurteil stärkt Kinderrechte
Berichte über die Intimoder Gesundheitssphäre eines Kindes dürfen de facto nicht mehr mit bloßstellenden Fotos illustriert werden. Experten sehen einen durchschlagenden Erfolg für mehr Kinderrechte.
Wien – Ein Urteil des Oberlandesgerichts Wien setzt neue Maßstäbe zum Schutz von Persönlichkeitsrechten Minderjähriger: Berichte über die Intim- oder Gesundheitssphäre eines Kindes dürfen de facto nicht mehr mit bloßstellenden Fotos illustriert werden. Auch Eltern oder gesetzliche Vertreter können solchen Veröffentlichungen nicht zustimmen, weil nur das Kind selbst über höchstpersönliche Rechte bestimmen kann.
Schwer verletzt
Der Hintergrund: In Berichten über den Unfall eines zehnjährigen Mädchens sah der Senat in zweiter Instanz dessen Gesundheitssphäre verletzt.
Das in einem Kinderheim untergebrachte Mädchen war im Juni 2014 aus dem Fenster des Kinderheimes gestürzt und hatte schwere Verletzungen erlitten. Österreich veröffentlichte Details über die akuten Verletzungen und den Gesundheitszustand des Mädchens. Ein Foto zeigte sein verletztes Gesicht.
Das Mädchen sei durch Angabe von Vornamen, Alter, Wohnort, insbesondere aber wegen des abgedruckten Fotos bloßgestellt worden, urteilten die Wiener Richter des Oberlandesgerichts. Österreich berief sich auf die Mutter des Mädchens, die der Veröffentlichung der privaten Details sowie des Fotos ausdrücklich zugestimmt, sich darüber hinaus an weitere Medien gewandt und sogar eine Pressekonferenz abgehalten hatte.
Für das Oberlandesgericht ist das kein Freibrief für eine Veröffentlichung. Persönlichkeitsrechte könnten nicht durch einen gesetzlichen Vertreter ausgeübt werden, heißt es in dem Urteil. Als rechtsgültig wäre allein die Einwilligung der Betroffenen zu werten gewesen.
Diese könne aber aufgrund ihrer Minderjährigkeit die Folgen einer Veröffentlichung nicht ermessen. Wörtlich: Es sei „einem seriösen Redakteur durchaus zuzutrauen, dass er über die besondere Sensibilität von bloßstellenden Veröffentlichungen Kinder betreffend weiß und derartige Publikationen – ungeachtet des Verhaltens allfällig anderer Interessen verfolgender Elternteile – selbst am Kindeswohl misst und sie im Zweifel unterlässt“.
Das Oberlandesgericht Wien verurteilte die Zeitung Österreich zu einer Entschädigung in der Höhe von 5000 Euro. Die Verfahrenskosten beider Instanzen hat ebenfalls die Mediengruppe zu übernehmen. (red) p Mehr auf derStandard.at/Etat