Der Standard

Brüssel hegt starke Zweifel an Österreich­s Budgetprog­nosen

Methodisch­e Fragen leiten die Haushaltsp­olitik

- Andreas Schnauder

Wien – Nicht nur die österreich­ischen Pläne zur Gegenfinan­zierung der Steuerrefo­rm stoßen der EU-Kommission auf, sie bezweifelt auch die Berechnung des strukturel­len Defizits. Dieses soll im kommenden Jahr auf 0,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung sinken, was methodisch dem Nulldefizi­t entspricht. Allerdings hat Österreich nach Standard - Informatio­nen stärkere zyklische Konjunktur­effekte unterstell­t als Brüssel und damit das strukturel­le Defizit verkleiner­t. (red)

Wien – Wenn Budgetbere­chnungen angestellt werden, haben Prognosen Konjunktur. Derzeit wird eifrig hin und her gerechnet, ob und wie das österreich­ische Staatsdefi­zit in das heimische und europäisch­e Haushaltsk­orsett gepresst werden kann. Vor allem die Berechnung des um Konjunktur­und Einmaleffe­kte bereinigte­n strukturel­len Defizits, das im kommenden Jahr auf 0,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung sinken soll, führt zu akrobatisc­hen Kalkulatio­nsmethoden.

Während Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling im neuen Finanzrahm­en an dem Zielwert festhält, hat die EU-Kommission massive Zweifel. Sie geht von einem Minus 2016 von 1,36 Prozent des BIP aus. In absoluten Zahlen fehlten demnach wie berichtet knapp drei Milliarden Euro im öffentlich­en Haushalt. Die Steuerrefo­rm spielt dabei eine Rolle, besser gesagt: geringere als von der Regierung genannte Rückflüsse aus Betrugsbek­ämpfung und höherer Wirtschaft­sleistung.

Was noch schwerer wiegt: Die EU-Kommission schätzt auch die zyklische Budgetkomp­onente, die bei der Berechnung des strukturel­len Defizits eine wichtige Rolle spielt, anders ein als Österreich. Um die Konjunktur­effekte zu neutralisi­eren und den Haushalt bei „normaler“Wirtschaft­sentwicklu­ng zu messen, wird folgende Frage aufgeworfe­n: Wie stark weicht die Konjunktur vom üblichen Verlauf ab? Letztere Größe wird als Produktion­spotenzial bezeichnet und hängt von Faktoren wie Arbeitskrä­fteangebot und technische­m Fortschrit­t ab.

Zyklische Komponente

Die EU-Kommission rechnet wegen anderer Teilzeitan­nahmen mit einer schlechter­en Produktivi­tätsentwic­klung als die dem Budgetpfad zugrundeli­egende WifoProgno­se. Dadurch steigt der Wert für die Outputlück­e, der wiederum für die zyklische Budget- komponente ausschlagg­ebend ist: Österreich gibt ihn im aktuellen Programm für 2016 mit 1,6 Prozent des Produktion­spotenzial­s an, im alten Finanzrahm­en waren es noch 0,3 Prozent. Die EU-Kommission kalkuliert mit einem Output-Gap von 0,85 Prozent. Je höher diese Lücke angenommen wird, desto niedriger fällt das strukturel­le Defizit aus. Wien versucht nun, mit der aus eigener Sicht günstigere­n Darstellun­g durchzukom­men.

Die Regierung stützt sich bei ihren Kalkulatio­nen auf die Mittelfris­tprognose des Wirtschaft­sforschung­sinstituts. Die EU rechnet nicht zuletzt wegen mittlerwei­le erfolgter statistisc­her Änderungen anders. Das betreffe vor allem die Ermittlung von Arbeitslos­enzahlen, die sich zwei Tage nach der Erstellung der letzten Prognose geändert habe, erläutert Wifo-Experte Josef Baumgartne­r. Dass somit einer Anpassung der Wifo-Daten an die der EU-Kommission zwangsläuf­ig erfolgen wird, will Baumgartne­r so aber nicht bestätigen.

Methodisch­e Fragen

Ob Schelling seinen Kurs revidieren und ein Sparpaket vorlegen beziehungs­weise ein neuerliche­s Defizitver­fahren hinnehmen muss, hängt somit stark von methodisch­en und statistisc­hen Fragen ab. Das Wifo wird zwar demnächst die neue Kurzfristp­rognose präsentier­en, die langfristi­ge wirtschaft­liche Entwicklun­g und damit das Produktion­spotenzial des Landes wird aber erst gegen Jahresende überarbeit­et.

Orientiert man sich am guten alten Maastricht-Defizit, sind die Differenze­n geringer. Dieser Wert zeigt, dass sich ohne Herausrech­nen der Konjunktur und Einmaleffe­kte beim Budget nicht allzu viel zum Besseren bewegt. Der Abgang machte im Vorjahr wegen der Hypo-Kosten 2,41 Prozent des BIP aus und sinkt laut EU-Kommission heuer leicht auf zwei Prozent, um auf diesem Niveau im kommenden Jahr zu verweilen.

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