Brüssel hegt starke Zweifel an Österreichs Budgetprognosen
Methodische Fragen leiten die Haushaltspolitik
Wien – Nicht nur die österreichischen Pläne zur Gegenfinanzierung der Steuerreform stoßen der EU-Kommission auf, sie bezweifelt auch die Berechnung des strukturellen Defizits. Dieses soll im kommenden Jahr auf 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken, was methodisch dem Nulldefizit entspricht. Allerdings hat Österreich nach Standard - Informationen stärkere zyklische Konjunktureffekte unterstellt als Brüssel und damit das strukturelle Defizit verkleinert. (red)
Wien – Wenn Budgetberechnungen angestellt werden, haben Prognosen Konjunktur. Derzeit wird eifrig hin und her gerechnet, ob und wie das österreichische Staatsdefizit in das heimische und europäische Haushaltskorsett gepresst werden kann. Vor allem die Berechnung des um Konjunkturund Einmaleffekte bereinigten strukturellen Defizits, das im kommenden Jahr auf 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken soll, führt zu akrobatischen Kalkulationsmethoden.
Während Finanzminister Hans Jörg Schelling im neuen Finanzrahmen an dem Zielwert festhält, hat die EU-Kommission massive Zweifel. Sie geht von einem Minus 2016 von 1,36 Prozent des BIP aus. In absoluten Zahlen fehlten demnach wie berichtet knapp drei Milliarden Euro im öffentlichen Haushalt. Die Steuerreform spielt dabei eine Rolle, besser gesagt: geringere als von der Regierung genannte Rückflüsse aus Betrugsbekämpfung und höherer Wirtschaftsleistung.
Was noch schwerer wiegt: Die EU-Kommission schätzt auch die zyklische Budgetkomponente, die bei der Berechnung des strukturellen Defizits eine wichtige Rolle spielt, anders ein als Österreich. Um die Konjunktureffekte zu neutralisieren und den Haushalt bei „normaler“Wirtschaftsentwicklung zu messen, wird folgende Frage aufgeworfen: Wie stark weicht die Konjunktur vom üblichen Verlauf ab? Letztere Größe wird als Produktionspotenzial bezeichnet und hängt von Faktoren wie Arbeitskräfteangebot und technischem Fortschritt ab.
Zyklische Komponente
Die EU-Kommission rechnet wegen anderer Teilzeitannahmen mit einer schlechteren Produktivitätsentwicklung als die dem Budgetpfad zugrundeliegende WifoPrognose. Dadurch steigt der Wert für die Outputlücke, der wiederum für die zyklische Budget- komponente ausschlaggebend ist: Österreich gibt ihn im aktuellen Programm für 2016 mit 1,6 Prozent des Produktionspotenzials an, im alten Finanzrahmen waren es noch 0,3 Prozent. Die EU-Kommission kalkuliert mit einem Output-Gap von 0,85 Prozent. Je höher diese Lücke angenommen wird, desto niedriger fällt das strukturelle Defizit aus. Wien versucht nun, mit der aus eigener Sicht günstigeren Darstellung durchzukommen.
Die Regierung stützt sich bei ihren Kalkulationen auf die Mittelfristprognose des Wirtschaftsforschungsinstituts. Die EU rechnet nicht zuletzt wegen mittlerweile erfolgter statistischer Änderungen anders. Das betreffe vor allem die Ermittlung von Arbeitslosenzahlen, die sich zwei Tage nach der Erstellung der letzten Prognose geändert habe, erläutert Wifo-Experte Josef Baumgartner. Dass somit einer Anpassung der Wifo-Daten an die der EU-Kommission zwangsläufig erfolgen wird, will Baumgartner so aber nicht bestätigen.
Methodische Fragen
Ob Schelling seinen Kurs revidieren und ein Sparpaket vorlegen beziehungsweise ein neuerliches Defizitverfahren hinnehmen muss, hängt somit stark von methodischen und statistischen Fragen ab. Das Wifo wird zwar demnächst die neue Kurzfristprognose präsentieren, die langfristige wirtschaftliche Entwicklung und damit das Produktionspotenzial des Landes wird aber erst gegen Jahresende überarbeitet.
Orientiert man sich am guten alten Maastricht-Defizit, sind die Differenzen geringer. Dieser Wert zeigt, dass sich ohne Herausrechnen der Konjunktur und Einmaleffekte beim Budget nicht allzu viel zum Besseren bewegt. Der Abgang machte im Vorjahr wegen der Hypo-Kosten 2,41 Prozent des BIP aus und sinkt laut EU-Kommission heuer leicht auf zwei Prozent, um auf diesem Niveau im kommenden Jahr zu verweilen.