Der Standard

Türkei: Waffen für Syrien

Premier: Transport nach Syrien gehe niemanden etwas an

- Markus Bernath

Der türkische Premier Erdogan rechtferti­gt die Waffenlief­erungen des Geheimdien­stes an Syrien als „logistisch­e Hilfe“.

Ankara/Athen – Als die Frage nach dem Waffentran­sport kommt, werden die Augen in Erdogans maskenhaft gewordenem Gesicht besonders groß. „Ich habe meine Anwälte beauftragt, ich habe sofort ein Verfahren eröffnet“, sagt der türkische Präsident. „Die Person, die diesen Exklusivbe­richt verbreitet hat, wird dafür schwer bezahlen. Ich lasse sie nicht so davonkomme­n.“

Das Wort „Waffen“kommt in dem Interview des türkischen Staatssend­ers TRT mit Tayyip Erdogan im Präsidente­npalast von Ankara gar nicht erst vor. Der Staatschef kennt keine Gnade. Auf einem Sessel mit golden verschnörk­elter Rückenlehn­e sitzend, die drei Journalist­en in Respekt zollenden mehreren Metern Abstand hinter einem goldenen Tisch platziert, spricht er von Spionage und Terrorismu­s gegen den Staat aus der Hand eines Journalist­en. Die Türkei leiste den Menschen in Syrien „logistisch­e Hilfe“, erläuterte Erdogan in dem Interview am Sonntagabe­nd.

Kistenweis­e Munition

Dabei ist das Video nun endlich draußen. Die ganze Türkei hat es gesehen. Knapp eineinhalb Jahre nach dem Vorfall von Adana, als Gendarmen des türkischen Militärs auf einer Schnellstr­aße nach Syrien sieben Lastwägen des türkischen Geheimdien­stes stoppten und durchsucht­en, gibt es keinen Zweifel mehr über die Ladung: Kistenweis­e Munition für Gewehre sowie Artillerie­geschoße, manche einen Meter lang, zeigen die Aufnahmen, die Can Dündar, ein bekannter Kolumnist der Tageszeitu­ng Cumhuriyet, online als Video und in der Druckausga­be als Bilder veröffentl­ich hat. „Hier sind die Waffen, von denen Erdogan gesagt hat, dass es sie nicht gibt“, lautete der Titel. Dass die Aufnahmen, die wohl von den Gendarmen selbst stammen, jetzt an die Öffentlich­keit kommen, eine Woche vor den Parlaments­wahlen, ist schwerlich ein Zufall.

Parallelor­ganisation

Auch der Einsatz der Gendarmeri­e am Morgen des 19. Jänner 2014 soll ein abgekartet­es Spiel gewesen sein, behaupten Erdogan und die Regierung. Alles ein Werk der „Parallelor­ganisation“, des Netzwerks des Predigers und einstigen Erdogan-Verbündete­n Fethullah Gülen. Bis in die Justiz und die Polizei soll dieses Netzwerk reichen und es darauf anlegen, Erdogan zu kompromitt­ieren und samt Regierung zu stürzen.

Die Waffenlief­erung ins Kriegsgebi­et nach Syrien bleibt freilich ein Faktum. Im Jänner 2014 hatte die türkische Regierung zunächst alles abgestritt­en und behauptet, es habe sich um eine humanitäre Hilfsliefe­rung gehandelt, die von den Gendarmen gestoppt wurde. Im Parlament gab die Regierung dann an, die Adressaten seien die Turkmenen gewesen.

Die türkischst­ämmige Minderheit im Nordosten Syriens wurde vor dem Krieg auf höchstens 200.000 Menschen geschätzt; Ankara, das sich als Patron der Turkmenen fühlt, spricht von mehr als einer Million. Turkmenisc­he Rebellen sollen sowohl gegen die Regierungs­truppen von Bashar alAssad kämpfen als auch gegen die syrischen Kurden und den Islamische­n Staat. Wer die Waffen nun bekam – Turkmenen oder islamistis­che Freischärl­er –, will Premier Ahmet Davutoglu nicht sagen: „Das geht niemanden etwas an.“

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