ZITAT DES TAGES
Die Kandidaten des linken Partito Democratico (PD) von Regierungschef Matteo Renzi haben in fünf von sieben Regionen gewonnen – doch die wahren Sieger sind die Lega Nord von Matteo Salvini und die „Grillini“.
„Ich bin der neue Leader der Rechten; die wahre Alternative zu Renzi sind wir.“ Matteo Salvini, Parteichef der Lega Nord, gilt bei Italiens Rechten als Mann der Zukunft.
Im Fußball würde man bei einem 5:2 wohl von einem Kantersieg sprechen. Doch für Regierungschef Matteo Renzi vom Partito Democratico (PD) fühlt sich dieses Resultat an den Regionalwahlen fast ein wenig wie eine Niederlage an: Seine Partei hat zwar in Kampanien, Apulien, Umbrien, in der Toskana und in den Marken gewonnen und nur im Veneto und in Ligurien verloren. Aber trotzdem sind die wahren Sieger andere: die europafeindliche Lega Nord von Matteo Salvini sowie die Protestbewegung von Beppe Grillo, der Unterschriften für eine Volksabstimmung über den Ausstieg aus dem Euro sammelt.
In der bevölkerungsreichen Region Veneto hat der Lega-NordKandidat Luca Zaia die linke Herausforderin Alessandra Moretti förmlich überfahren: Zaia kam auf 50 Prozent der Stimmen, die PDKandidatin auf weniger als die Hälfte. Die Lega Nord schnitt auch in anderen Regionen sehr gut ab – und fast überall, wo die „Padanier“antraten, übertrafen sie Silvio Berlusconis Forza Italia, meist gleich um das Doppelte der Stimmen. Der scharfe Rechtskurs und die grobschlächtige Anti-ImmigrantenStimmungsmache des neuen LegaNord-Chefs Matteo Salvini machte sich bezahlt: „Ich bin der neue Leader der Rechten; die wahre Alternative zu Renzi sind wir!“
Eine Art Auferstehung feierte auch der Genueser Komiker Beppe Grillo mit seiner Protestbewegung „Movimento Cinque Stelle“(M5S). In der Emilia-Romagna, in Kalabrien und in den Abruzzen vor einem Jahr schienen Grillos Sterne bereits verglüht. Nun wurde seine Bewegung in Ligurien, Umbrien und den Marken zur zweitstärksten Kraft. Auf nationaler Ebene liegt die Bewegung mit 19 Prozent klar vor der Lega Nord (12,5 Prozent).
Glanzlose Nummer eins
Der PD konnte seine Stellung als stärkste Partei des Landes bestätigen, und negative Folgen der Wahl für die Regierung sind unwahrscheinlich; doch vom Glanz des Wahlsiegs bei den Europawahlen vor einem Jahr, als die Sozialdemo- kraten 40,8 Prozent einfuhren, ist wenig übriggeblieben. Am Sonntag ging nicht nur die traditionelle linke Hochburg Ligurien verloren. Auch in anderen „roten Zonen“wie Toskana und Umbrien fielen die Siege der PD-Kandidaten gegen die Mitte-rechts-Bewerber ungewöhnlich knapp aus. Und der ebenfalls hauchdünne PD-Sieg in Kampanien ist überschattet von einem wahrscheinlichen Amtsverbot für Vincenzo De Luca: Renzis Partei war dort mit einem Vorbestraften angetreten.
Am schmerzlichsten für Renzi ist das Wahlresultat in Ligurien, wo wegen eines parteiinternen Streits bei den Linken der Berlusconi-Vertraute Giovanni Toti das Rennen machte. Berlusconi kann also doch noch Wahlen gewinnen – wenn die Linke Fehler macht und das Mitte-rechts-Lager geschlossen antritt.
Erneut gesunken ist die Wahlbeteiligung: Sie betrug knapp 54 Prozent. Noch vor zehn Jahren waren 80 oder mehr Prozent üblich gewesen. Die italienischen Politiker und ganz besonders die Volksvertreter in den Regionalparlamenten haben mit unzähligen Skandalen und ihrem scheinbar unbezwingbaren Hang zur Selbstbereicherung nichts unterlassen, die Bürger von den Urnen fernzuhalten.
Die Kandidatur des vorbestraften De Luca in Kampanien dürfte insbesondere unter Linkswählern zur Abstinenz beigetragen haben. Insgesamt waren am Sonntag 21 von 40 Millionen wahlberechtigten Italienern zu den Urnen gerufen.
In der Stunde des Triumphs gab er sich plötzlich moderat, ja gesprächsbereit: „Die Regionalwahlen haben gezeigt, dass man das Mitte-rechts-Lager neu aufbauen kann; zu diesem Zweck werde ich mit allen reden“, sagte Matteo Salvini am Wahlsonntag in einem TVInterview. Eine kleine, aber feine Einschränkung machte der LegaNord-Chef allerdings: „Ich bin jedenfalls der neue Leader. Berlusconi wird die Zahlen interpretieren können.“
Diese Zahlen lauten: 50 Prozent für den LegaNord-Kandidaten Luca Zaia in Venetien, 20 Prozent in Ligurien, 16 Prozent in der roten Toskana, 14 Prozent im ebenso roten Umbrien. Silvio Berlusconis Forza Italia dagegen kam außer in Ligurien bei den Regionalwahlen meist nicht einmal auf ein zweistelliges Resultat. Die Führungsfrage stellt sich in der Tat, und wie.
Der 42-jährige Salvini ist der Mann der Stunde im Lager der italienischen Rechten. Als er die Lega Nord im Dezember 2013 übernahm, war die Partei nach einer Finanzaffäre um Parteigründer Umberto Bossi de facto klinisch tot: Bei den Parlamentswahlen 2013 war sie auf vier Prozent abgestürzt. Nun liegt sie auf nationaler Ebene bei 12,5 Prozent – mit Spielraum nach oben.
Der oft mit bedruckten T-Shirts auftretende Lega-Chef gefällt sich in der Rolle des Enfant terrible. Den Euro bezeichnet er als „Verbrechen gegen die Menschheit“, Immigranten würde er am liebsten auf dem Meer in ihren Booten sitzen lassen. Besonders gerne geht er in die Barackenlager der Roma – um ihnen an den Kopf zu werfen, dass man ihre Behausungen mit Baggern dem Erdboden gleichmachen müsste.
Salvini, Sprössling eines gutbürgerlichen Mailänder Elternhauses, will die Lega Nord nach dem Vorbild des französischen Front National in eine nationale Rechtsaußenpartei umbauen. „Padanien“war gestern – künftig will Salvini auch im Mezzogiorno – im Süden – punkten, den die Lega Nord bisher als unterentwickelt, parasitär und mafiös verspottet hat.
Der Wahlsieger vom Sonntag hat nur ein Problem: Mit seinen extremen Positionen wird er im moderaten Italien niemals auf mehr als 25 Prozent der Stimmen kommen. Bei Parlamentswahlen wäre er vielleicht der beste Kandidat, um mindestens Platz zwei und damit die Stichwahl zu erreichen. In der Stichwahl selber aber wäre er geradezu eine politische Lebensversicherung für den anderen Matteo: den fast gleichaltrigen Sozialdemokraten und Premier Matteo Renzi.