Wiens Kinder schnitten beim Lesetest besser ab
Beim heurigen Lesetest schnitten Wiens Viertklässler besser als in den vergangenen Jahren ab. Trotzdem haben vier Prozent der Kinder gar kein Leseverständnis. 22 von ihnen erreichten sogar null von 30 Punkten.
Wien – Pippi Langstrumpf, Lisa aus Bullerbü und Räubertochter Ronja mit ihren roten Haaren – alles Heldinnen aus Kinderbüchern. Wie gut etwa die Abenteuer dieser Romanfiguren gelesen und erfasst werden können, hängt von der Lesestärke der Kinder ab.
In der Bundeshauptstadt wurde das Text- und Leseverständnis der Schüler von 22. bis 29. April beim „Wiener Lesetest“abgeprüft. Alle 639 vierten Klassen an privaten und öffentlichen Volksschulen nahmen an dem jährlichen Test teil. 15.279 Wiener Kinder wurden abgeprüft und haben die Leseleistungen gegenüber den Erhebungen der Vorjahre gesteigert.
Allerdings befinden sich noch immer 12,4 Prozent der Viertklässler, also 1848 Schüler, auf der schwächsten Lesestufe mit „teilweisem Textverständnis“. Das sind um 6,2 Prozentpunkte weniger als bei der letzten Auswertung 2013. Etwa ein Drittel der Leseschwachen sind Kinder mit deutscher Muttersprache.
Bei 3,7 Prozent der Getesteten wurde „keine messbare Lesekompetenz“festgestellt: 553 Kinder erzielten nur zwischen null und elf der insgesamt 30 Punkte. Sie fallen ebenfalls in die schlechteste Gruppe. 22 Schüler konnten keine einzige Aufgabe lösen: „Hier müssen wir sagen, dass sie die Inhalte einfach nicht verstehen“, sagt Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ).
Mögliche „Testverweigerer“
Dass einige Kinder null Punkte erreicht haben, sei „nicht leicht zusammenzubringen“. Die Stadtschulratspräsidentin denkt, es könnte sich bei diesen Kindern um „Testverweigerer“handeln.
Verschiedene Erklärungen findet Brandsteidl für die 553 Testergebnisse mit unter elf Punkten. Sie könnten so schlecht in der Schule sein, dass sie durchfallen oder „sonderpädagogischen Förderbedarf“benötigen.
Dass über zwölf Prozent der Volksschüler nicht sinnerfassend lesen können, sei „alarmierend“, entgegnen die Neos: „Wer nicht lesen kann, hat auch Probleme, Mathematikangaben oder Physikbeispiele zu verstehen“, sagt Beate Meinl-Reisinger: „Wer diese katastrophalen Ergebnisse schönredet, braucht selbst dringend Nachhilfe im sinnerfassenden Lesen.“
Der Anteil der Kinder in der Gruppe der besten Leser hat sich gesteigert. 10.561 Kinder haben es auf die beste Stufe geschafft. Das sind 71,3 Prozent der Schüler. Von ihnen kommen lediglich 16 Prozent aus Familien mit nichtdeutscher Muttersprache. 1103 Schüler lösten alle Fragen richtig und bekamen die volle Punktzahl.
„Die Ergebnisse zeigen, dass Leseförderung wirkt“, sagt Brandsteidl. Die Verbesserung der Kinder sei auf die 2011 eingeführte Wiener Leseoffensive zurückzuführen: Bei den Viertklässlern handle es sich um jene Kinder, die als Erste das vierjährige Programm wahrgenommen haben.
Kritik kommt von der Opposition: „In der Wiener Bildungspolitik liegt weiterhin einiges im Argen, wie auch die eklatant hohe Zahl an außerordentlichen Schülern in dieser Stadt zeigt“, sagt ÖVP-Wien-Bildungssprecherin Isabella Leeb in einer ersten Reaktion. Rund 500 Schüler wurden vom Test ausgenommen, weil sie nach einem Sonderschullehrplan unterrichtet werden oder außerordentliche Schüler sind.
Neues Verfahren
Geändert hat sich zudem auch der Testablauf. Die Prüfung wurde neu konzipiert. Bis 2013 wurde sie vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) durchgeführt. Brandsteidl beendete die Zusammenarbeit mit dem Bifie vergangenes Jahr wegen eines Lecks bei Schülerdaten. Der Test wurde nicht ausgewertet, weshalb es für 2014 keine Ergebnisse gibt.
Seit dem aktuellen Durchgang wird der Test vom ehemaligen Bifie-Chef Günter Haider und einem Team der Uni Salzburg konzipiert und durchgeführt. Erstmals gab es einen zweiphasigen Aufbau: Der 40 Minuten lange Test wurde terminlich nach hinten verschoben und ein freiwilliger Vortest angesetzt, den die Lehrer mit einer Lösungsschablone selbst ausgewertet haben.