Der Standard

Südkorea kämpft gegen Mers-Virus

In Südkorea breitet sich die Atemwegser­krankung schneller aus als in anderen Ländern. Dafür verantwort­lich ist zum Teil die Fahrlässig­keit der Behörden. Ein Minister vermutet auch einen genetische­n Faktor.

- Fabian Kretschmer aus Seoul

Mit 18 Infektione­n in gerade einmal zehn Tagen verbreitet sich das Mers-Virus in Südkorea weit aggressive­r als in anderen Ländern. Schon jetzt hat der ostasiatis­che Tigerstaat nach Saudi-Arabien, den Vereinigte­n Arabischen Emiraten und Jordanien die meisten Erkrankung­en zu beklagen. Um die Epidemie einzudämme­n, stellte die Regierung am Montag fast 700 Leute unter Quarantäne.

Am selben Tag bestätigte sie auch den Todesfall einer Südkoreane­rin, die an Atemversag­en starb. Die 58-Jährige stand unter Verdacht, sich ebenfalls mit Mers angesteckt zu haben. Ob ihr Tod tatsächlic­h vom Virus verschulde­t wurde, müsse jedoch noch untersucht werden, teilte das Gesundheit­sministeri­um mit.

2012 erstmals nachgewies­en

Das „Middle East Respirator­y Syndrome“wurde erstmals 2012 in Saudi-Arabien nachgewies­en. Seitdem sind laut Angaben des Europäisch­en Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheite­n 1167 Menschen an dem Virus erkrankt, davon 479 tödlich. Zu den Symptomen von Mers zählen Fieber, Atemproble­me, Lungenentz­ündungen und Nierenvers­agen. Das Virus gehört zu den Coronavire­n, zu der auch das Sars-Virus zählt, an dem bei einem Ausbruch 2003 rund 800 Menschen starben.

Derzeit befinden sich laut Angaben des Gesundheit­sministeri­ums fünf der insgesamt 18 erkrankten südkoreani­schen MersPatien­ten in einem besorgnis- erregenden Zustand. Sie weisen Symptome einer Lungenentz­ündung auf und sind an Beatmungsg­eräten angeschlos­sen. Die Behörden gehen davon aus, dass sie alle von einem einzigen Patienten angesteckt wurden.

Der 68-jährige Koreaner befand sich bis Anfang Mai auf einer Geschäftsr­eise in Bahrain. Als er nach seiner Rückkehr aufgrund von Atemschwie­rigkeiten ein Krankenhau­s aufsuchte, teilten die dortigen Ärzte dem Gesundheit­sministeri­um mit, dass der Patient Mers-Symptome aufweisen würde. Die Behörden ignorierte­n dies jedoch zunächst, da Bahrain nicht zu den Gefährdung­sgebieten zählen würde.

Dies ist nur eine von vielen Fahrlässig­keiten, die die südkoreani­sche Bevölkerun­g nun in Angst und Schrecken vor einer möglichen Mers-Epidemie versetzen. So erlaubten sie dem Sohn des ersten erkrankten Patienten die Ausreise nach China, obwohl die Ärzte davon abrieten. In der südchinesi­schen Provinz Guangdong angekommen, zeigte der Südkoreane­r nicht nur Anzeichen der Erkrankung, sondern steckte auch einen Chinesen an – der erste Mers-Fall in Festland-China.

Ebenfalls öffentlich wurde nun, dass ein weiterer Viruspatie­nt eineinhalb Stunden lang im Fernbus nach Seoul saß. Der 35-Jährige befand sich auf dem Weg in ein Krankenhau­s in der südkoreani­schen Hauptstadt, in das er von einem örtlichen Spital in der Provinz Gyeonggi-do überwiesen wurde. Obwohl der Patient die typischen Mers-Symptome aufwies, organisier­ten die Ärzte für die Überweisun­g keine Ambulanz. Als der Erkrankte in Seoul ankam, litt er bereits derart stark unter Atemproble­men, dass er eigenhändi­g den Notarzt rief. Wenige Stunden später wurde er als 14. Mers-Fall diagnostiz­iert.

Kritik von der Präsidenti­n

„Wir müssen den Grund finden für die vergleichs­weise hohe Übertragun­gsrate“, sagte Präsidenti­n Park Geun-hye vor Reportern am Montag. Eine Erklärung lieferte die 63-jährige Politikeri­n gleich mit: Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus bezeichnet­e sie als „unzureiche­nd“.

Vielleicht könnten auch noch andere Gründe für die schnelle Verbreitun­g eine Rolle spielen. „Ich frage mich, ob es einen genetische­n Faktor gibt, der Koreaner anfälliger für das Virus macht, doch bislang gibt es keinen Beleg dafür“, sagte Kim Woo-joo vom Gesundheit­sministeri­um.

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 ??  ?? Am größten südkoreani­schen Flughafen in Incheon nahe Seoul sollen mithilfe von Wärmebildk­ameras Menschen mit Fieber identifizi­ert werden – eines der Symptome des Mers-Virus.
Am größten südkoreani­schen Flughafen in Incheon nahe Seoul sollen mithilfe von Wärmebildk­ameras Menschen mit Fieber identifizi­ert werden – eines der Symptome des Mers-Virus.

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