Warnung vor „Ende der Sozialdemokratie“
Nach der schweren Wahlschlappe wollen die Spitzen von SPÖ und ÖVP in der Steiermark unbeirrt ihre Koalition fortsetzen. In den Parteien rumort es aber. In der ÖVP wird diskutiert, die FPÖ in die Regierung zu holen.
Entweder wir finden rasch die richtigen Antworten auf die Fragen der Menschen, oder das war’s“, orakelt der steirische ÖGB-Chef Horst Schacher. Das Ergebnis der Landtagswahl vom Sonntag sei ihm „in die Knochen gefahren“. Schacher sieht mit Blickrichtung auf die steirischen Industriegebiete nun eine „ernste Gefahr für die Sozialdemokratie“. „Wenn es uns nicht gelingt, die Menschen wieder von der FPÖ zurückzuholen und wenn es uns nicht gelingt, auf die Ängste der Menschen adäquat zu re- agieren, ist die Sozialdemokratie am Ende“, sagt der Gewerkschaftsboss im Standard- Gespräch.
Die FPÖ ist am Sonntag in der Steiermark in die Höhen von SPÖ und ÖVP aufgestiegen. Die SPÖ kam auf 29,29 Prozent (minus neun Prozent), die ÖVP auf 28,45 Prozent (minus 8,6 Prozent), die FPÖ erhöhte auf 26,76 Prozent (plus 16 Prozent). Zeitweise lagen die drei Parteien gleichauf, erst das Grazer Ergebnis entschied. Die Auszählung der Wahlkarten brachte keine Änderung mehr.
Eine „wesentliche Lehre“, die seine Partei aus dem „katastrophalen Ergebnis“ziehen müsse: Die SPÖ dürfe die „brennenden Themen“nicht länger ignorieren. „Die SPÖ darf die Themen Integration und Asyl nicht länger totschweigen“, sagt Schachner. Wie das alles in der politischen Praxis funktionieren sollte, da habe auch er, Schachner, noch kein Rezept. Irgendwie sei eben auch er ratlos angesichts der enormen Gewinne der FPÖ. Schachner: „Wir müssen trotzdem einen Weg finden.“
Applaus für Schützenhöfer
In der ÖVP gab man sich nach der Wahlschlappe nach außen hin relativ ungerührt. Parteichef Hermann Schützenhöfer sagte während der „Wahlparty“, die mit tosendem Applaus für ihn eingeleitet worden war, dass zumindest ein Wahlziel erreicht worden sei, nämlich auf „Augenhöhe“mit der SPÖ zu bleiben – eben auf einem niedrigeren Niveau.
Landesrat Christopher Drexler meinte gar, es reichten auch die nun gemeinsamen 60 Prozent als Basis, um wie geplant weiterzumachen. Während die Parteiführung in SPÖ und ÖVP die Parole ausgab, wie gewohnt weiterzuarbeiten, rumorte es im Inneren der Parteien. SP-intern ist man einigermaßen irritiert, dass Voves sein Wahlversprechen, bei einem Ergebnis unter 30 Prozent zu gehen, völlig ignoriert habe. In der ÖVP wiederum will man trotz Stillhalteappellen sehr wohl diskutieren, die FPÖ in die Regierung zu holen. Die Freiheitlichen fliegen ja, da der Proporz abgeschafft wurde, aus der Regierung.
In welchem Ausmaß die Freiheitlichen Stimmen einheimsten, illustriert ein Detail des Gesamtergebnisses: Die FPÖ hat in keiner einzigen steirischen Gemeinde Stimmen verloren. Überall gewonnen. Die SPÖ legte lediglich in zwei Ortschaften minimal zu, die ÖVP in zwei Gemeinden. In Fohnsdorf, wo Voves noch dem dortigen, umstrittenen Bürgermeister geholfen hatte, eine eben- so umstrittene Therme zu bauen, brach die SPÖ gleich um 23 Prozent ein – der stärkste Verlust. In Köflach, der alten weststeirischen Kohle-Industriestadt, verlor die SPÖ 18 Prozent, in Leoben fiel die Partei unter die 50 Prozent auf 43 Prozent. In Kapfenberg musste sie fast elf Prozent ablegen, in Mürzzuschlag 12,6 Prozent.
Der ÖVP ging es um nichts besser. In Ramsau am Dachstein verlor die ÖVP knapp 32 Prozent. Besonders bitter für die ÖVP: Dort, wo sie zum Aufbau einer Thermenregion viele Steuermillionen investierte, wurde die ÖVP hart abgestraft. In den Thermenorten Bad Blumau oder Loipersdorf verlor die ÖVP mehr als 23 Prozent.
Und schließlich Schladming: Hier setzte sich ÖVP-Chef Schützenhöfer mit Millionensubventionen für die Ski-WM 2003 ein. Fazit: minus 22 Prozent für die ÖVP.