„Unstoppable“: Strache sieht sich auf dem Durchmarsch
Seit dem Wahlsonntag hält sich die FPÖ für nicht mehr zu stoppen. Experten konstatieren, dass SPÖ und ÖVP deren Antiausländerwahlkampf wieder einmal die falschen Strategien entgegengesetzt hätten.
Obwohl die Freiheitlichen angesichts der tristen Wirtschaftslage und steigender Asylwerberzahlen laut Demografen bloß die nächsten Urnengänge für neue Wahlerfolge abzuwarten bräuchten, wirkte Heinz-Christian Strache am Montag ziemlich hyperaktiv: Nach dem Wahlsonntag, der seiner Partei im Burgenland einen Zugewinn von sechs Prozent und in der Steiermark gar ein Plus von 16,5 Prozent beschert hat, geißelte der FPÖ-Chef fast eine Stunde lang die Verlierer SPÖ und ÖVP – und kündigte ihnen, assistiert von seinem Generalsekretär und Strategen Herbert Kickl, weitere Verluste bei den Urnengängen in Wien und Oberösterreich im Herbst an.
Die steirische rot-schwarze Reformpartnerschaft diskreditierte Strache als „Sozialabbaupartnerschaft“, in Wien „gehört“für ihn „aufgeräumt“, mit Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sieht sich der blaue Chef längst in einem Kopf-an-Kopf-Rennen.
Dazu ätzte Kickl, dass weder die Kampagne des steirischen Landeshauptmannes Franz Voves (SPÖ), der die Freiheitlichen als „Rattenfänger“bezeichnet hatte, noch jene seines burgenländischen Amtskollegen Hans Niessl (ebenfalls SPÖ), der für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen eingetreten war, etwas gegen die FPÖ-Zuwächse ausrichten habe können. „Niessl“, so höhnte Kickl, habe sich ja bloß „als freiheitlicher Abklatsch“präsentiert.
Damit nicht genug, erklärte das sichtlich euphorisierte Duo in Anlehnung an die jüngste Single von Songcontest-Queen Conchita Wurst, dass die Freiheitlichen „unstoppable“seien – und das zehn Jahre, nachdem die Partei im Zuge von Jörg Haiders Abspaltung mit dem BZÖ 2005 tief gedemütigt bei drei Prozent herumgegrundelt ist. Sind die Freiheitlichen tatsächlich nicht mehr aufzuhalten – egal, was man ihnen entgegensetzt? Am Montag konstatierten diverse Meinungsforscher, dass die FPÖ gar das Potenzial habe, stimmenstärkste Partei auf Bundesebene zu werden.
Blumen für Mikl-Leitner
Politikberater Thomas Hofer erklärt im STANDARD- Gespräch, dass es angesichts der Urnengänge in Wien und Oberösterreich reichlich spät für neue Strategien gegen den blauen Vormarsch sei. Anstatt in der Steiermark und im Burgenland auf eigene Erfolge, Kompetenzen, Bilanzen – durchaus im Vergleich mit dem einst blauen, heute finanzmaroden Kärnten – zu verweisen, hätten Rot und Schwarz sich dazu hinreißen lassen, „den Wahlkampfrahmen“der FPÖ zu übernehmen. Und der lautete: Ob am Arbeitsmarkt, im Bil- dungsbereich oder auf den Straßen, nirgendwo könne man quasi vor den Ausländern sicher sein.
Am Höhepunkt der Auseinandersetzung, zu Pfingsten, ließ Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) unter dem Protest diverser Landespolitiker und Bürgermeister dann auch noch „Zeltstädte“für Flüchtlinge errichten. Hofer: „Eigentlich müsste Kickl Mikl-Leitner dafür einen Blumenstrauß schicken. Denn damit hat sie die Asyldebatte viel mehr dramatisiert als nötig.“
Fazit: Nicht zuletzt wegen dieser Bilder liefen die Wähler im Burgenland wie in der Steiermark in Scharen von SPÖ und ÖVP zur FPÖ über. Mit 27 Prozent in der Steiermark und 15 Prozent im Burgenland fuhr die Partei in beiden Ländern ein historisches Rekordergebnis ein – und konnte mit nahezu identischen Inhalten an die glorreichen Jahre unter Haider anknüpfen. Zum Vergleich: Unter dem verstorbenen blauen Übervater wuchs die FPÖ bei Landtagswahlen in Wien und in Vorarlberg (1996 bzw. 1999) ebenfalls auf sat- te 27 Prozent an, nach seinem Tod kam Haiders Nachfolger Gerhard Dörfler (FPK) in Kärnten 2009 sogar auf 44,9 Prozent.
Sowohl Häupl als auch Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) rät Hofer deswegen, sich von der FPÖ nicht derart in ihr Ausländerthema hineinziehen zu lassen. Denn schon seit den Innenministern Franz Löschnak und Karl Schlögl (beide SPÖ), die wie nun Niessl in den Neunzigern die Hardliner gaben, sei klar, dass dabei für die Koalitionsparteien kaum etwas zu holen sei.
Zurück in die Heimat
Einen Vorgeschmack, was die Freiheitlichen in Oberösterreich in die Wahlschlacht werfen, hat am Montag deren Landeschef Manfred Haimbuchner geboten, der bis dato kraft Proporz neben seinem Kärntner Kollegen Christian Ragger das einzig verbliebene freiheitliche Mitglied in einer Landesregierung ist. Er fordert: „Keine Zuwanderung ohne Deutschkenntnisse“, „Sozialleistungen für Integrationsunwillige streichen“, „Nulltoleranz gegenüber Islamismus“und einem „Stopp dem Asylmissbrauch“. Dazu bekräftigte Strache in Wien, dass er alle Menschen, die es in Booten übers Mittelmeer schaffen („Mörderschiffe“), nach australischem Vorbild zurückschicken würde.
Und genau hier müssten SPÖ und ÖVP ansetzen, meint Hofer. Anders als zu Haiders Zeiten habe die FPÖ nämlich in der zweiten Reihe kaum wirtschafts- und sozialpolitische versiertes Personal vorzuweisen. Der Experte: „Und deswegen trauen selbst die eigenen Wähler Strache die Rolle des Kanzlers noch nicht zu.“