Der Standard

Ein kurzes Siegesgefü­hl für Abhörgegne­r in den USA

Jenes Gesetzeswe­rk, das dem US-Geheimdien­st NSA Instrument­e zur Massenüber­wachung amerikanis­cher Bürger in die Hand gab, ist nach einer politische­n Schlacht seit Montag Geschichte. Doch der Sieg ist von kurzer Dauer: Ein Ersatzgese­tz wird bald beschlosse

- Frank Herrmann aus Washington

Nach einem nächtliche­n Parlaments­drama darf die National Security Agency (NSA) vorläufig keine Verbindung­sdaten amerikanis­cher Telefonkun­den mehr sammeln. Eine bemerkensw­erte Rebellion des libertären Republikan­ers Rand Paul ließ den Versuch scheitern, den Patriot Act unveränder­t zu verlängern – jenes nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beschlosse­ne Gesetz, dessen sich die NSA bei ihrer Spähoffens­ive bedient.

Eine Schlüsselp­assage der Novelle, der Paragraf 215, der es den Geheimdien­sten gestattet, alles an Informatio­nen zu speichern, was ihre Antiterror­strategen für „relevant“halten, ist damit Montagfrüh – eine Minute nach Mitternach­t – ausgelaufe­n. Die Pause dürfte allerdings nur von kurzer Dauer sein. Denn noch diese Woche will der Senat eine Novelle des Repräsenta­ntenhauses aufgreifen, den USA Freedom Act, sodass sich am Kern des Abhörprogr­amms nur wenig ändern wird. Künftig, darin besteht der wesentlich­e Unterschie­d, dürfen nur noch die Telefonanb­ieter Metadaten bunkern, während die NSA um richterlic­he Genehmigun­g bitten muss, wenn sie Einsicht nehmen will. „Es ist kein großer Sieg für den Datenschut­z“, zieht Bruce Schneier, einer der weltweit führenden Experten für Computersi­cherheit, ein nüchternes Fazit. „Immerhin, es ist ein symbolisch­er Sieg.“

Schiffbruc­h für McConnell

Wäre es nach Mitch McConnell gegangen, dem konservati­ven Mehrheitsf­ührer der kleineren der beiden Kongresska­mmern, wäre der Patriot Act nach wie vor in Kraft, ohne auch nur um einen Beistrich korrigiert worden zu sein. In einer Zeit, in der die Fanatiker des „Islamische­n Staats“(IS) ihre Macht in Nahost festigten und die Terrorgefa­hr wachse, dürfe man ein so nützliches Instrument nicht leichtfert­ig aus der Hand geben, lautete das Argument des Veteranen. Doch beim Versuch, seine Fraktion auf Linie zu bringen, erlitt er Schiffbruc­h. Dagegen stand die Hartnäckig­keit eines Parteifreu­ndes, der im Streit mit der NSA sein Profil schärft wie bei keinem anderen Thema.

Rand Paul, wie McConnell ein Republikan­er aus Kentucky, sieht in Eingriffen des Staates per se Attacken auf die individuel­le Freiheit. Einmal hielt der frühere Augenarzt eine 13-stündige Dauerrede, um die Berufung John Brenn- ans, des Architekte­n des amerikanis­chen Drohnenkri­eges, zum CIA-Direktor zu blockieren. Nun kandidiert er fürs Weiße Haus, da kann eine aufsehener­regende Debattenre­de nicht schaden.

Jedenfalls duellierte sich Paul voller Lust am angespitzt­en Wort mit seinem Fraktionsc­hef, indem er dessen düstere Warnungen, wonach man im Ringen mit terroristi­schen Bösewichte­n nicht eine Sekunde „im Dunkeln tappen“dürfe, mit beißendem Spott bedachte. „Die Leute, die behaupten, das Ende der Welt naht, wir werden von Jihadisten überrannt, wollen doch nur Furcht säen.“Im Übrigen seien es Informatio­nen über amerikanis­che Bürger, die da systematis­ch gesammelt würden. Dem einen Riegel vorzuschie­ben, dafür seien die Rebellen um George Washington seinerzeit in die Schlacht gezogen. „Wollen wir unsere Freiheit tatsächlic­h derart blind opfern?“

Ungewöhnli­che Allianzen

Barack Obama wiederum, auch das hat Seltenheit­swert, klang vor der Kraftprobe, als wäre er das Echo McConnells, seines sonst so raffiniert­en Gegenspiel­ers, der ihn mit geschickte­n Manövern ausbremst, wo immer es geht.

„Die Terroriste­n werden nicht eine Minute nach Mitternach­t aufhören, Komplotte gegen uns zu schmieden“, mahnte der Präsi- dent in seiner wöchentlic­hen Radioanspr­ache. Bei aller Rhetorik, in Wahrheit dürfte er recht zufrieden sein mit dem Ausgang des Duells, wie es sich im Moment abzeichnet. Die 60-Stimmen-Mehrheit, die benötigt wird, um den Freedom Act auch im Senat passieren zu lassen, scheint garantiert. Dass das Weiße Haus gut leben kann mit der Minireform, ist längst kein Geheimnis mehr. Unter Druck, nachdem Edward Snowden das Ausmaß des Sammelwahn­s offengeleg­t hatte, war es Obama selber, der anregte, das Speichern von Verbindung­sdaten künftig alleine den Telefonkon­zernen zu überlassen.

 ??  ?? NSA-Gegner fordern schon lange ein Ende der Gesetze, die dem Geheimdien­st die Überwachun­g erleichter­n. Ein Spionage-Ende ist aber auch nach dem Teil-Aus für den Patriot Act nicht abzusehen.
NSA-Gegner fordern schon lange ein Ende der Gesetze, die dem Geheimdien­st die Überwachun­g erleichter­n. Ein Spionage-Ende ist aber auch nach dem Teil-Aus für den Patriot Act nicht abzusehen.
 ?? Foto: EPA / Pete Marovich ?? Grundsätze und Hintergeda­nken: Präsidents­chaftsanwä­rter Paul.
Foto: EPA / Pete Marovich Grundsätze und Hintergeda­nken: Präsidents­chaftsanwä­rter Paul.

Newspapers in German

Newspapers from Austria