Ein kurzes Siegesgefühl für Abhörgegner in den USA
Jenes Gesetzeswerk, das dem US-Geheimdienst NSA Instrumente zur Massenüberwachung amerikanischer Bürger in die Hand gab, ist nach einer politischen Schlacht seit Montag Geschichte. Doch der Sieg ist von kurzer Dauer: Ein Ersatzgesetz wird bald beschlosse
Nach einem nächtlichen Parlamentsdrama darf die National Security Agency (NSA) vorläufig keine Verbindungsdaten amerikanischer Telefonkunden mehr sammeln. Eine bemerkenswerte Rebellion des libertären Republikaners Rand Paul ließ den Versuch scheitern, den Patriot Act unverändert zu verlängern – jenes nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beschlossene Gesetz, dessen sich die NSA bei ihrer Spähoffensive bedient.
Eine Schlüsselpassage der Novelle, der Paragraf 215, der es den Geheimdiensten gestattet, alles an Informationen zu speichern, was ihre Antiterrorstrategen für „relevant“halten, ist damit Montagfrüh – eine Minute nach Mitternacht – ausgelaufen. Die Pause dürfte allerdings nur von kurzer Dauer sein. Denn noch diese Woche will der Senat eine Novelle des Repräsentantenhauses aufgreifen, den USA Freedom Act, sodass sich am Kern des Abhörprogramms nur wenig ändern wird. Künftig, darin besteht der wesentliche Unterschied, dürfen nur noch die Telefonanbieter Metadaten bunkern, während die NSA um richterliche Genehmigung bitten muss, wenn sie Einsicht nehmen will. „Es ist kein großer Sieg für den Datenschutz“, zieht Bruce Schneier, einer der weltweit führenden Experten für Computersicherheit, ein nüchternes Fazit. „Immerhin, es ist ein symbolischer Sieg.“
Schiffbruch für McConnell
Wäre es nach Mitch McConnell gegangen, dem konservativen Mehrheitsführer der kleineren der beiden Kongresskammern, wäre der Patriot Act nach wie vor in Kraft, ohne auch nur um einen Beistrich korrigiert worden zu sein. In einer Zeit, in der die Fanatiker des „Islamischen Staats“(IS) ihre Macht in Nahost festigten und die Terrorgefahr wachse, dürfe man ein so nützliches Instrument nicht leichtfertig aus der Hand geben, lautete das Argument des Veteranen. Doch beim Versuch, seine Fraktion auf Linie zu bringen, erlitt er Schiffbruch. Dagegen stand die Hartnäckigkeit eines Parteifreundes, der im Streit mit der NSA sein Profil schärft wie bei keinem anderen Thema.
Rand Paul, wie McConnell ein Republikaner aus Kentucky, sieht in Eingriffen des Staates per se Attacken auf die individuelle Freiheit. Einmal hielt der frühere Augenarzt eine 13-stündige Dauerrede, um die Berufung John Brenn- ans, des Architekten des amerikanischen Drohnenkrieges, zum CIA-Direktor zu blockieren. Nun kandidiert er fürs Weiße Haus, da kann eine aufsehenerregende Debattenrede nicht schaden.
Jedenfalls duellierte sich Paul voller Lust am angespitzten Wort mit seinem Fraktionschef, indem er dessen düstere Warnungen, wonach man im Ringen mit terroristischen Bösewichten nicht eine Sekunde „im Dunkeln tappen“dürfe, mit beißendem Spott bedachte. „Die Leute, die behaupten, das Ende der Welt naht, wir werden von Jihadisten überrannt, wollen doch nur Furcht säen.“Im Übrigen seien es Informationen über amerikanische Bürger, die da systematisch gesammelt würden. Dem einen Riegel vorzuschieben, dafür seien die Rebellen um George Washington seinerzeit in die Schlacht gezogen. „Wollen wir unsere Freiheit tatsächlich derart blind opfern?“
Ungewöhnliche Allianzen
Barack Obama wiederum, auch das hat Seltenheitswert, klang vor der Kraftprobe, als wäre er das Echo McConnells, seines sonst so raffinierten Gegenspielers, der ihn mit geschickten Manövern ausbremst, wo immer es geht.
„Die Terroristen werden nicht eine Minute nach Mitternacht aufhören, Komplotte gegen uns zu schmieden“, mahnte der Präsi- dent in seiner wöchentlichen Radioansprache. Bei aller Rhetorik, in Wahrheit dürfte er recht zufrieden sein mit dem Ausgang des Duells, wie es sich im Moment abzeichnet. Die 60-Stimmen-Mehrheit, die benötigt wird, um den Freedom Act auch im Senat passieren zu lassen, scheint garantiert. Dass das Weiße Haus gut leben kann mit der Minireform, ist längst kein Geheimnis mehr. Unter Druck, nachdem Edward Snowden das Ausmaß des Sammelwahns offengelegt hatte, war es Obama selber, der anregte, das Speichern von Verbindungsdaten künftig alleine den Telefonkonzernen zu überlassen.