Der Standard

Neues Video im Fall Nemzow

Verdächtig­er über Tschetsche­nien ins Ausland geflüchtet

- André Ballin aus Moskau

Im Mordfall Boris Nemzow mehren sich die Indizien für eine Verwicklun­g ranghoher tschetsche­nischer Entscheidu­ngsträger in die Tat: Aufnahmen der Flughafenü­berwachung­skameras sollen die Verquickun­gen belegen. Von den Videos berichtete zuerst die russische Nachrichte­nagentur Rosbalt unter Berufung auf einen Informante­n in Ermittlerk­reisen.

Derzeit sitzen fünf Männer als Tatverdäch­tige in Untersuchu­ngshaft. Als Todesschüt­ze gilt dabei der Tschetsche­ne Saur Dadajew, als Fluchtfahr­er sein Landsmann Ansor Gubaschew. Beide haben ein Geständnis abgelegt, welches Dadajew aber inzwischen widerrufen hat.

Allerdings zeigt ein Video Dadajew zwei Tage nach dem Mord vor dem Abflug nach Grosny. Begleitet wird er dabei von Ruslan Geremejew. Beide dienten im tschetsche­nischen Sonderbata­illon „Nord“. Deutlich brisanter sind allerdings die Verwandtsc­haftsverhä­ltnisse Geremejews. Dieser ist nämlich Neffe des tschetsche­nischen Senators Sulejman Geremejew. Sein Onkel zweiten Grades ist der Duma-Abgeordnet­e Adam Delimchano­w, der seinerseit­s wiederum mit Tschetsche­nen-Oberhaupt Ramsan Kadyrow verwandt ist und als dessen rechte Hand gilt. Das widerspric­ht der These der russischen Behörden, dass es sich um Einzeltäte­r gehandelt habe, die Nemzow wegen seiner Unter- stützung für die Charlie-HebdoJourn­alisten erschossen hätten.

Der Name Geremejew tauchte schon früher als möglicher Hintermann in der Berichters­tattung auf; allerdings eher als Schlussfol­gerung, die aus Aussagen über einen nicht näher benannten „Rusik“(Koseform von Ruslan) gezogen wurden. Dokumentar­isch galt die Verbindung zwischen Dadajew und Geremejew zum Mordzeitpu­nkt bis zum Erscheinen des Flughafenv­ideos nicht als belegt.

Geschützte Flucht

Trotzdem hatten föderale Ermittler in der Vergangenh­eit versucht, Geremejew in Tschetsche­nien zu befragen. Dies war ihnen allerdings nicht gelungen, weil der Verdächtig­e dort im Heimatdorf Delimchano­ws von tschetsche­nischen Sicherheit­skräften vor den Moskauer Kollegen abgeschirm­t wurde. Letzten Angaben nach soll sich Geremejew in die Vereinigte­n Arabischen Emirate abgesetzt haben.

Zugleich gab es auch in Moskau gravierend­e Veränderun­gen: Der renommiert­e Chefermitt­ler Igor Krasnow wurde in dem Fall abgelöst. Nemzows Tochter Schanna kritisiert­e den Ermittlerw­echsel scharf. Krasnows Nachfolger Nikolai Tutewitsch hat bereits einmal in einem Fall die Untersuchu­ngen geleitet, bei dem ein Gegner Kadyrows ermordet wurde. Die Hintermänn­er dieser Tat sind bis heute nicht bekannt.

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Russland und die Ukraine beschuldig­en die jeweils andere Seite, für den MH17-Absturz verantwort­lich zu sein. Schlagende Beweise fehlen.

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