Der Standard

Berlin und Paris gegen Flüchtling­e

Innenminis­ter stellen EU-weite Aufteilung wieder infrage

- Thomas Mayer aus Brüssel

Die großen und mittleren Staaten der Union wollen den von der EUKommissi­on vergangene Woche präsentier­ten Vorschlag zur gerechtere­n Aufteilung der Asylwerber auf die Mitgliedsl­änder nicht umsetzen. Das wurde am Montag bei einer Konferenz der Innenminis­ter von sechs Staaten in Moritzburg bei Dresden unmissvers­tändlich zum Ausdruck gebracht.

Eingeladen hatte der deutsche Innenminis­ter Thomas de Maiziere. Neben seinem Land waren Frankreich, Großbritan­nien, Italien, Spanien und Polen vertreten. Gemeinsam stellen sie rund 340 von 507 Millionen Einwohnern in der EU. Im Vorfeld brachte das deutsch-französisc­he Duo einen Alternativ­vorschlag zur Kommission vor. Darin wird der gewählte Schlüssel mit den Kriterien, nach denen Flüchtling­e EU-weit verteilt werden sollen, infrage gestellt. Ginge es nach der Kommission, so sollen die Größe und die Wirtschaft­skraft der Staaten bei der Berechnung der Zahl der Asylwerber, die sie aufnehmen müssen, mit je 40 Prozent „gewichtet“werden, die herrschend­e Arbeitslos­igkeit und das bisherige Engagement bei der Aufnahme von Asylwerber­n, mit je zehn Prozent.

Insgesamt 40.000 Flüchtling­e aus Italien und Griechenla­nd sollen, wie berichtet, so in den kommenden zwei Jahren in einer Not- maßnahme aufgeteilt werden – vorzugswei­se Syrer und Eritreer.

Nach deutsch-französisc­hem Wunsch sollen nun Arbeitslos­igkeit und bisheriges Engagement der Mitgliedss­taaten stärker zum Tragen kommen, was beide Länder weniger belasten würde als von der Kommission vorgesehen.

Allerdings war die vorgesehen­e Zahl von 5258 Flüchtling­en für Deutschlan­d und 4051 für Frankreich bereits im Ansatz nicht sehr hoch: Im vergangene­n Jahr kamen mehr als 600.000 Asylwerber nach Europa, die meisten über Italien und Griechenla­nd, von wo aus sie – oft illegal – Richtung Norden weiterreis­en.

Keine Regeländer­ungen

Die „Großen“der EU bekritteln aber nicht nur den Verteilung­sschlüssel. Sie wollen auch Gewissheit, dass es sich bei der Aufteilung der 40.000 nur um eine begrenzte vorübergeh­ende Maßnahme handle. Auch soll die geltende Regelung, dass die Einreiselä­nder für Asylwerber zuständig sind („Dublin II“), nicht angetastet werden. Spanien, Polen lehnen die Zuteilung von Asylwerber­n ohnehin massiv ab, genauso wie zum Beispiel Tschechien, die baltischen Staaten oder vor allen Ungarn. Was vom Kommission­svorschlag übrigbleib­t, wird man Mitte Juni sehen: Da treffen sich alle EU-Innenminis­ter in Luxemburg zum regulären Ratstreffe­n.

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