Der Standard

Eltern bremsen Schulkarri­ere

Experten: Leistungen oft nicht entscheide­nd

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Wien – Es steht sogar in der Verfassung. Die Schule soll sicherstel­len, dass der gesamten Bevölkerun­g, unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziell­em Hintergrun­d, das höchstmögl­iche Bildungsni­veau zukommt. Dies gelingt aber nicht immer, wie Bildungsps­ychologin Christiane Spiel ausführt: „Zwei Drittel der Zehnjährig­en, deren Eltern einen Hochschula­bschluss haben, wechseln auf eine AHS. Aber nur acht Prozent der Kinder von Eltern mit Pflichtsch­ulabschlus­s bekommen die Chance, Matura zu machen.“

Wie Bildungsun­gerechtigk­eiten wie diese künftig reduziert werden können, darüber diskutiere­n in Wien noch bis Dienstag Bildungsex­perten aus Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz bei einem Workshop der Österreich­ischen Forschungs­gemeinscha­ft in Wien.

Ein Schulsyste­m müsse den Anspruch haben, dass die Herkunft der Schüler ihren Bildungswe­g so wenig wie möglich beeinfluss­t, sagte Petra Sanat, Direktorin des Instituts für Qualitätse­ntwicklung im Bildungswe­sen an der Berliner Humboldt-Universitä­t, bei einem Pressegesp­räch vor dem Start des Workshops am Montag.

Gelingen könne dies, indem die unterschie­dlichen Lernvoraus­set- zungen der Schüler durch die Einführung von Mindeststa­ndards ausgeglich­en werden, sagte Sanat. Auch Spiel plädierte für die Einführung von Mindeststa­ndards, mit denen festgelegt wird, was Schüler unbedingt können sollen, wenn sie die Mittelstuf­e abgeschlos­sen haben. „Jeder sollte sinnerfass­end lesen können. Das schaffen wir jetzt nicht.“Derzeit werden in der vierten und achten Schulstufe zwar Bildungsst­andards überprüft, diese würden aber einen Durchschni­tt festlegen, der erreicht werden muss, aber keine Mindeststa­ndards.

Gefahr frühe Trennung

Eine Gefahr sieht Spiel auch darin, dass sich die Schüler nach vier Jahren Volksschul­e für Gymnasium oder Neue Mittelschu­le entscheide­n müssen. Im Alter von zehn Jahren könne man noch gar nicht wissen, welche Fähigkeite­n ein Kind habe. Zudem spiele die Leistung der Volksschül­er für den Übertritt ins Gymnasium oft nur eine untergeord­nete Rolle. Entscheide­nd sei, was die Eltern für ihre Kinder wollen.

Bildungsfo­rscher Lorenz Lassnig vom Institut für Höhere Studien (IHS) machte zudem darauf aufmerksam, dass Noten am Ende der Volksschul­e darüber entscheide­n, ob ein Kind am Gymnasium aufgenomme­n wird. „Die Noten sind abgekoppel­t von den tatsächlic­hen Leistungen.“Lehrer würden aufgrund von sozialen Prozessen entscheide­n.

Dazu komme, dass Eltern mit akademisch­em Abschluss mehr Einblick in das Schulsyste­m hätten, sagte Spiel. „Mehr Aufklärung über die Möglichkei­ten des Schulsyste­ms ist notwendig.“(koli)

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