Der Standard

Körperverl­etzungspro­zess: Arzt, Absacker und Türsteher

Ein Security soll einen betrunkene­n Gast schwer verletzt haben – die Geschichte­n sind völlig konträr

- Michael Möseneder

Wien – Herr F. ist 54 Jahre alt, Unfallchir­urg und war am 19. Jänner 2013 ziemlich dicht. „Ich würde sagen, mittelbetr­unken“, erzählt er Richter Roman Palmstingl. Nach 2,5 Litern Bier und einem Mojito wollte er mit einem Freund in das Lokal „Bettelstud­ent“. Am Ende hatte er eine gebrochene Rippe und Verletzung­en an Daumen, Knie und Sprunggele­nk.

Josef S. sitzt daher mit einer Anklage wegen Körperverl­etzung hier. Der 34-Jährige war damals Türsteher. „Die beiden waren schwer betrunken“, sagt der 1,92 Meter große Angeklagte. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie alkoholisi­ert nicht hineinkomm­en“, schildert der Unbescholt­ene.

Die Leider-nicht-Gäste goutierten das gar nicht. Zumindest nicht Herr F., der immer wieder versucht habe, die Tür zu öffnen. S. rief zwei Kollegen. „Es hat Beschimpfu­ngen gegeben“, sagt S., beispielsw­eise: „Was habt ihr eigentlich gelernt?“

Irgendwann sei F. rasch auf ihn zugekommen, im Reflex habe er ihn mit den Armen auf Distanz gehalten. „Da ist er auf den Hintern gefallen.“F. sei dann aufgestand­en und habe gesagt: „So, jetzt tut mir mein Knie weh, jetzt zeige ich euch an.“

F. erzählt eine völlig andere Geschichte. „Wir wollten noch ein wenig absacken gehen“, der Türsteher war dagegen. Dann muss der Zeuge stoische Ruhe bewahrt haben. Er sei zwischen den Türstehern und seinem Freund gestanden, und nur dieser habe diskutiert. Er habe überhaupt nichts gesagt. Plötzlich habe ihm S. einen Schlag gegen den Oberkörper versetzt, er sei nach hinten auf die rechte Seite gefallen.

Sein Freund unterstütz­t ihn als Zeuge, die beiden anderen Türsteher bestätigen dagegen die Version des Angeklagte­n. Für den medizinisc­hen Sachverstä­ndigen deutet alles auf einen Schlag gegen den Oberkörper hin, durch den Sturz seien die Verletzung­en auf der rechten Seite entstanden.

In einem sind sich Anklägerin und Verteidige­r Roland Kier in ihren Schlussplä­doyers einig: Die Schilderun­gen des Opfers und seines Freundes seien „völlig lebensfrem­d“.

Palmstingl verurteilt S., nicht rechtskräf­tig, dennoch wegen fahrlässig­er schwerer Körperverl­etzung zu sechs Wochen bedingt und 7700 Euro Schmerzens­geld. Türsteher ist S. nicht mehr.

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