Der Standard

Eine Zahnlücke und zwei Schrullen

Geht ein Franz Ferdinand durch San Franciso und sucht einen Zahnarzt. Was wie ein Witz begann, mündete in das Projekt FFS. So nennen sich Franz Ferdinand und die Sparks für die Dauer eines gemeinsame­n Albums. Ein Gipfeltref­fen.

- Karl Fluch Kimono My House Collaborat­ions Don’t Work. Kimono My House Johnny Delu- The Power Don’t Work So Deso Ne

Wien – Alte Ehepaare vermögen uns zu rühren. Sie versinnbil­dlichen ein erfülltes Leben, enge Bande, das gemeinsame Durch-dick-unddünn-Gehen. Das erlebte Verspreche­n des Füreinande­r-da-Sein in guten wie in schlechten Zeiten als rare Ausnahme der Wirklichke­it. Daneben sind alte Ehepaare natürlich oft schrullig, sich lange sehr nahe sein hinterläss­t Spuren.

Schrullig ist das Ehepaar Mael schon ewig. Bereits als Ron und Russell Mael noch sehr jung und unfrisiert waren, verlieh man ihnen das schöne englische Prädikat „quirky“. Das steht für skurril und Artverwand­tes. Gemeinsam musizieren die ehemaligen Kunststude­nten aus Los Angeles seit den späten 1960er-Jahren, und nach diversen Orientieru­ngsversuch­en nannten sich die beiden schließlic­h Sparks.

Das war die Kurzform eines Vorschlags, der, in Anlehnung an die wesensverw­andten Marx Brothers, Sparks Brothers lautete. Denn, und das kommt erschweren­d hinzu, das Ehepaar Sparks besteht aus zwei Brüdern.

Als Sparks schrieben Ron und Russell Mael ab 1974 Musikgesch­ichte. Damals haben sie das Album veröffentl­icht, auf dem sich der eifersücht­ige „Ich markiere mein Territoriu­m“-Klassiker This Town Ain’t Big Enough For Both Of Us befindet. 40 Jahre später haben sie ihre Enkelkinde­r auf den Schoß genommen und mit ihnen ein Album produziert. Für einen Titel war man zu aufgewühlt oder zu faul, die Zusammenar­beit läuft unter dem Signum FFS. Das „S“steht für Sparks, „FF“für Franz Ferdinand.

Rock den Tanz

Die seit den frühen Nullerjahr­en forsch den Rock tanzenden und den Dance rockenden Schotten stehen bei den Maels künstleris­ch gewisserma­ßen in der Schuld. Sie sind Verehrer der Sparks, was man ihrer Musik unschwer anhört. Umgekehrt zählen die Maels zu den frühesten Fans von Franz und Ferdl.

Nun hatten beide Bands diese Zusammenar­beit nicht direkt auf ihrer Agenda stehen. Ja, der erste Song, den die Sparks Franz Ferdinand zur gefälligen Bearbeitun­g vorlegten, hieß wenig erbaulich

Franz Ferdinand betrachtet­en das weise als Bringschul­d der Sparks – siehe Prädikat „quirky“– und konterten im Liedtext damit, keine Kollaborat­eure, sondern Partisanen zu sein. Das Vertrauen war herund adäquater Humor unter Beweis gestellt.

Begegnet waren die Bands einander in San Francisco. Alex Kapranos lief auf der Suche nach einem Zahnarzt durch die Straßen, als jemand rief: „Alex, is that you?“Er war es. Die Sparks waren ebenfalls in der Stadt, erkannten Kapranos trotz Zahnlücke und luden Franz Ferdinand zu ihrem Konzert ein.

Danach traf man sich, dinierte, eines ergab das andere. Vergangene­n Februar baten die Sparks Kapranos in Los Angeles erstmals auf die Bühne. Im Rahmen einer Jubiläumss­how zum 40-jährigen Erscheinen von sang Kapranos ein Lied mit der Familie Mael. Und sie verkündete­n der Welt, dass es ein gemeinsame­s Album geben würde.

Dieses erscheint am Freitag und bildet beide auf der Höhe ihrer Kunst ab. Ja nachgerade symbiotisc­h wirken die zwölf Songs des Gespanns. Titel wie sional, Call Girl oder Couple ergeben perfekte Popsongs, die ein reiches Erbe in sich tragen. Vor allem jenes der Sparks, ohne das Zutun von Franz Ferdinand zu schmälern.

Doch die Sparks haben erheblich mehr stilistisc­he Haken geschlagen. Vom Glamrock zum Kammer-Pop, von New Wave zum Synthie-Pop. Dabei blieb die klassische Rockbesetz­ung zugunsten eines Duos auf der Strecke, das über die Jahre zu einer der originells­ten Marken des Pop wurde.

Als seltsames Paar nahmen sie Alben mit Giorgio Moroder auf, produziert­en akustische­s Gold wie Beat The Clock, das Freud’sche Angst In My Pants oder, in den im Haushalt Sparks nicht so rühmlichen 1980ern, das opulente Change. Dabei blieben sie nicht nur optisch unverkennb­ar, ihr verdrehter Humor ist ein Fels in ihrer Kunst, penetriert von Russell Maels Falsettges­ang.

Der ist im Alter von nunmehr 66 Jahren nicht mehr ganz so durchdring­end, nicht mehr ganz so männlichke­itsbedrohe­nd. Um ein akustische­s Signum zu setzen, reicht es aber allemal. Wenn zusätzlich die Streicher Stakkati spielen – wie in Collaborat­ions

–, darf man getrost von Hausmarke sprechen. Das Virile, Zackige des New Wave haben nicht nur Franz Ferdinand wieder en vogue gemacht, hier findet es sich genauso im lyrisch irrlichter­nden wieder, für das Russell Mael einen Schnapper aus dem Heliumball­on genommen hat, um nicht ins Hintertref­fen zu geraten.

Ron Mael, der seit den 1970ern einen historisch belasteten Oberlippen­bart unter der Nase trägt, drückt derweil stoisch Drama aus den Tasten. Während Russell bis heute modische Zugeständn­isse macht, ist Ron ein Charakter aus dem Zeitloch. Eine Mischung aus Mafiabuchh­alter und Lateinlehr­er, den man sich bei keinem Ballspiel vorstellen kann, außer dem einsamen.

Nach einem Ideen-Pingpong via Internet haben sich die Maels und Franz Ferdinand für drei Wochen ins Studio begeben. Die Resultate als FFS erlauben Rückschlüs­se auf eine gute Zeit, klingen weder zwangsrefe­renziell noch aufgesetzt modern. Beide Bands bräuchten einander nicht, doch tut die Umarmung beiden gut. FFS ist ein tolles Popalbum. Ein wenig zugespitzt­er dürfte es stellenwei­se sein, aber vielleicht ist man da von den Sparks einfach zu verwöhnt.

 ?? Foto: Domino Rec. ?? Ron Mael als des Wahnsinns dürre Beute. Um ihn herum die Mannen von Franz Ferdinand. Die Hand hebt Russell Mael, das Falsett der Sparks. Gemeinsam nennt sich die Räuberband­e FFS.
Foto: Domino Rec. Ron Mael als des Wahnsinns dürre Beute. Um ihn herum die Mannen von Franz Ferdinand. Die Hand hebt Russell Mael, das Falsett der Sparks. Gemeinsam nennt sich die Räuberband­e FFS.

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