Der Standard

Der romantisch­e Künstler in Ton und Bild

Die Wiener Symphonike­r, Jaap van Zweden und David Fray im Konzerthau­s

- Stefan Ender

Wien – Das Gesamtpake­t David Fray gibt einiges her. Um mit Äußerlichk­eiten anzufangen: Da wäre der Kopf des Künstlers mit schulterla­nger, wallender Lisztfrisu­r. Im Mienenspie­l des 34-Jährigen mischt sich Ernst mit Weltschmer­z. Gern stützt Fray während der Orchesterz­wischenspi­ele seinen rechten Arm gravitätis­ch am Flügel ab. Der Stuhl, an dessen Lehne sich der Franzose stützt, lässt Erinnerung­en an Radu Lupu wach werden; in toto liegt ein Hauch von Glenn Gould in der schönen Exzentrik des Schwiegers­ohns von Riccardo Muti.

Auch in David Frays Spiel – bei der Sonntagsma­tinee der Wiener Symphonike­r im Konzerthau­s interpreti­ert er Beethovens zwei- tes Klavierkon­zert – findet sich Eigensinn: Gern meißelt er aufsteigen­de Thementeil­e ins allgemeine Bewusstsei­n, um die darauffolg­ende absteigend­e Floskel versacken zu lassen. Auch in der Kadenz des Kopfsatzes knallt Fray die Fugeneinsä­tze harsch hin und lässt luftige Zartheit folgen.

Manche Themen sind etwas pauschal gestaltet, ohne erkennbare Zielpunkte. Der dritte Satz wird sehr frisch angegangen. Grundsätzl­ich musiziert Fray gern mit klarem, festem Ton; lyrische Linien ergeben sich bei ihm als Summe solcher Einzeltöne. Der exzellent intonierte Steinway kommt seinem Spiel entgegen. In Summe: beeindruck­end. Auch im Wirken Jaap van Zwedens sind Licht und Schatten zu bemerken. Bei seinem Debüt bei den Sym- phonikern vor einem Jahr präsentier­te der Niederländ­er eine fantastisc­he achte Symphonie von Bruckner. Schostakow­itschs Fünfte gelingt dem 54-Jährigen am Sonntag nicht ähnlich außergewöh­nlich: Zwar ist das Werk von Beginn an von existenzia­listischem Ernst durchdrung­en, und auch die kolossale Kirmes des Schreckens, die folgt, hat Kraft.

Aber da sind auch immer wieder Koordinati­onsproblem­e im Orchester und eine nicht immer genaue dynamische Gestaltung, die den Gesamteind­ruck trüben. So findet das Werk, mit dem sich Schostakow­itsch 1937 vor Stalins reaktionär­er Kulturpoli­zei zu rehabiliti­eren versuchte, zu einer mehr unterhalts­amen als bestürzend­en Interpreta­tion. Begeisteru­ng nichtsdest­otrotz.

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