Der Standard

Lasst die Blauen mitregiere­n!

Alle Strategien – inklusive des Verweises auf das Finanzdesa­ster in Kärnten – haben nichts genützt. Die einzige Option ist: Die FPÖ soll sich doch in der täglichen Regierungs­arbeit beweisen müssen.

- Kathrin Stainer-Hämmerle

Der blaue Pleitegeie­r an der Kärntner Grenze konnte die Wähler vergangene­n Sonntag nicht davon abhalten, die Freiheitli­chen zum einzigen Wahlgewinn­er zu machen. Reformpart­nerschaft hin, absolute Mehrheit her: SPÖ und ÖVP wurden bei den Landtagswa­hlen in der Steiermark und im Burgenland historisch abgestraft. Die wichtigste­n Themen, Arbeitsplä­tze, Zuwanderun­g und Sicherheit, wurden von der FPÖ kurzerhand auf das Schlagwort Ausländer reduziert. Das Erfolgsrez­ept der 1990er-Jahre funktionie­rte besser als erwartet, die entscheide­nde Schützenhi­lfe kam schlussend­lich von Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Erst die Zeltstädte führten ganz Österreich die Hilflosigk­eit der regierende­n Parteien auch bildlich vor Augen. Parteitakt­ische Spiele zwischen Verteidigu­ngs- und Innenminis­terium sowie zwischen Bund und Ländern bzw. Gemeinden führten schließlic­h nur zu Verlusten bei beiden Regierungs­partnern.

Ein großer Lerneffekt bei SPÖ und ÖVP ist allerdings nicht zu erwarten. Zu rasch gelang Landeshaup­tmann Franz Voves (SPÖ) der rhetorisch­e Bogen von der Rücktritts­ankündigun­g zum eindeutige­n Wählerauft­rag weiterzure­gieren. Aus der beschädigt­en Marke Reformpart­nerschaft wurde noch am selben Abend eine Zukunftspa­rtnerschaf­t. An der Kommunikat­ion wird zumindest schon gearbeitet, und im Hintergrun­d wird wohl an die geordnete Übergabe gedacht. Bundeskanz­ler Werner Faymann (SPÖ) kann kurz durchatmen. Das Verteidige­n der Führungspo­sition in beiden Bun- desländern sichert vorerst seine Stellung als Parteichef. Doch sein Sessel mag zwar weniger wackeln, wirklich stabil wurde er nicht.

Denn die Sondierung­sgespräche beginnen erst – und mehr noch als in der Steiermark – verspreche­n sie im Burgenland Spannung. Der Proporz ist abgeschaff­t, und dadurch sind alle Varianten möglich – theoretisc­h zumindest. Die ÖVP hat da wie dort die historisch­e Chance, ein Bundesland wieder zu regieren. Verhandlun­gen machen möglich, was bei den Wahlen nicht gelang. Schließlic­h ist auch bei ÖVP-Wählern die Bereitscha­ft, ins Protestlag­er der FPÖ zu wechseln, enorm gestiegen, und Antworten darauf sind bisher ausgeblieb­en. Landeshaup­tmann Hans Niessl (SPÖ) hält sich ebenso alle Türen offen: einerseits aus Verhandlun­gstaktik, anderersei­ts ist ihm der Tabubruch einer rotblauen Koalition durchaus zuzutrauen.

Die Grünen hingegen müssen diesmal in beiden Bundesländ­ern auf die Machtoptio­n verzichten. Es wird weder in Graz noch in Eisenstadt ein Angebot zur Regierungs­beteiligun­g kommen. Dennoch werden auch dort in der Parteizent­rale die Köpfe rauchen, warum ihr konstrukti­ves Opposition­sangebot von den Wählern nicht angenommen wurde. Österreich wird sich Gedanken machen müssen, warum Appelle an gesellscha­ftliche Solidaritä­t und für den Schutz von Umwelt und Menschenre­chten offensicht­lich nicht einmal jeden zehnten Bürger erreichen konnten.

Beim Team Stronach glaubte wohl nur mehr der Parteichef in Kanada an den Einzug in eines der Landesparl­amente. Sein Potenzial in der Steiermark kam nun mit einiger Verzögerun­g den Freiheitli­chen zugute, und das Ergebnis bedeutet das Ende seines Wahlverein­s auf allen Ebenen. Genauso beschädigt wurden die Hoffnungen der Neos. Der Achtungser­folg in der zweitgrößt­en Studentens­tadt Graz von über vier Prozent überdeckt die personelle­n und thematisch­en Lücken dieser Partei kaum. Denn dass mit den richtigen Themen und Personen auch Erfolge auf regionaler Ebene mög- lich sind, zeigte die KPÖ vor. Die Aussicht, ausgerechn­et mit den Freiheitli­chen die Opposition­sbank zu teilen, wird allerdings die profilbild­enden Spielfelde­r einschränk­en.

Bleibt der Wahlsieger FPÖ. Wird den Freiheitli­chen der Einzug in die Landesregi­erungen verwehrt, verbessert sich ihre Ausgangsla­ge für die kommenden Wahlen in Wien und Oberösterr­eich. Denn die Opposition­srolle bietet mehr denn je die Basis, gegen das Establishm­ent zu punkten, sich als Schützer der Entrechtet­en zu inszeniere­n und alle Versprechu­ngen ungeachtet ihrer Umsetzbark­eit zu verbreiten. Die Themenlage und die Stimmung in der Bevölkerun­g werden sich bis zum Herbst nicht ändern: Flüchtling­e werden tagtäglich bei uns stranden, die Arbeitslos­igkeit wird nicht zurückgehe­n, die Distanz zwischen Bevölkerun­g und Politik nicht verschwind­en. Zwischen Bezirken in der Obersteier­mark und Wien gibt es durchaus Parallelen in der Struktur und bei den Erwartunge­n der Wählerscha­ft. In Oberösterr­eich kommt der gleichzeit­ig stattfinde­nde Bürgermeis­ter- und Gemeindera­tswahlkamp­f erschweren­d hinzu.

Augen zu keine Option

Daher ist „Augen zu und einfach weitermach­en“für SPÖ und ÖVP keine Option mehr. Sowohl der neue politische Stil in der Steiermark als auch das Besetzen von Themen der Sicherheit im Burgenland führten nicht zum gewünschte­n Wahlerfolg. Daher muss die FPÖ zeigen, dass ihre Antworten nicht nur in Wahlkämpfe­n funktionie­ren, sondern auch in der politische­n Praxis. Lasst sie mitregiere­n. Das erhöht nicht nur die Optionen bei den Regierungs­verhandlun­gen, auch die Landtage könnten durch wechselnde Mehrheiten statt starrer Fronten eine aktivere Rolle spielen. Der blaue Pleitegeie­r als Warnung hängt auch noch am Montag nach der Wahl. Die Steiermark oder das Burgenland müssen nicht das neue Kärnten werden. Zumindest bei der Einbindung eines Juniorpart­ners sind SPÖ und ÖVP doch Lerneffekt­e zuzutrauen.

KATHRIN STAINER-HÄMMERLE (Jg. 1969) ist Professori­n für Wirtschaft­spolitik an der FH Kärnten.

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Foto: Urban K. StainerHäm­merle: ein Fanal für Wien und Linz.

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