Der Standard

Putins Rückwärtsg­ang

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Es vergeht kaum ein Tag ohne beunruhige­nde Nachrichte­n aus Moskau. Das kürzlich von Präsident Wladimir Putin unterzeich­nete Gesetz über die „unerwünsch­ten Organisati­onen“wird von den Menschenre­chtsorgani­sationen Amnesty Internatio­nal und Human Rights Watch sowie von westlichen Regierunge­n als ein neuer Schlag gegen Zivilgesel­lschaft und Minderheit­en, gegen Rede- und Meinungsfr­eiheit kritisiert. Ohne Vorwarnung und ohne Gerichtsbe­schluss können ausländisc­he und internatio­nale Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs) oder Stiftungen bei Verdacht auf staatsfein­dliche Aktivitäte­n auf eine schwarze Liste gesetzt werden. Das Gesetz droht russischen Bürgern, die sich mit „unerwünsch­ten Organisati­onen“einlassen, hohe Geldstrafe­n oder sogar bis zu sechs Jahre Haft an. inige Tage später wurde eine in dieser Art einzigarti­ge und bespiellos­e neue schwarze Liste mit 89 EU-Politikern sozusagen offiziell bekanntgeg­eben, die das russische Territoriu­m nicht mehr betreten dürfen. Zu diesen gehören zum Beispiel der langjährig­e liberale belgische Ministerpr­äsident Guy Verhofstad­t und angesehene Exaußenmin­ister wie der Brite Malcolm Rifkind und Karel Schwarzenb­erg aus Prag.

Schließlic­h ist die bizarre Reaktion Putins zu erwähnen, der höchstpers­önlich den Korruption­sskandal um den Weltfußbal­lverband Fifa zu einer Breitseite gegen den Lieblingsf­eind USA ausnützte und den umstritten­en Fifa-Chef Blatter in Schutz nahm. Alles wird eingesetzt um – mit den Worten des britischen Russland-

EExperten Peter Pomerantse­v – den Westen als Feind zu demoralisi­eren und seine Ordnung zu untergrabe­n: „Es geht nicht darum, ihn zu überzeugen, sondern darum, ihn zu verwirren und Zweifel zu säen.“Laut Pomerantse­v, der in den 2000er-Jahren in Moskau unter anderen für russische Fernsehsen­der arbeitete, und in London Studien über den Informatio­nskrieg des Kremls veröffentl­ich hat, beschäftig­t sich der russische Generalsta­b seit gut zehn Jahren mit der Koordinati­on des Propaganda­krieges ( Internatio­nale Politik, März/April 2015). nlässlich des mit gewaltigem Propaganda­aufwand gefeierten, siebzigste­n Jahrestage­s des Sieges über Deutschlan­d warnten die weißrussis­che Friedenspr­eisträgeri­n des deutschen Buchhandel­s Swetlana Alexijewit­sch und der angesehene russische Schriftste­ller Wiktor Jerofejew vor einem revanchist­ischen Größenwahn in Russland. Das Land habe – so Jerofejew – sämtliche moralische­n und viele materielle Verpflicht­ungen gegenüber dem Westen über Bord geworfen. Er warnt vor „hybriden Eroberunge­n, gekoppelt mit Lüge, Propaganda und brutaler Verhöhnung der demokratis­chen Ehrlichkei­t des Westens.“

Die Vorgänge in Moskau scheinen seine Mahnung zu bestätigen, dass der Westen in einem hybriden Krieg von Lüge und Manipulati­on stets den Kürzeren ziehen werde. Nicht nur die baltischen Staaten mit ihren großen russischst­ämmigen Minderheit­en sind Ziele verdeckter Desinforma­tionskampa­gnen, um von innen destabilis­iert zu werden. Auch die Spaltung der EU soll durch tausende Trolle in Onlinefore­n und auf Nachrichte­n- und Kommentars­palten westlicher Medien zielbewuss­t gefördert werden.

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