Der Standard

Realitätsv­erweigerun­g

- Walter Müller

Wer sich am Tag nach der Wahl in den Reihen der steirische­n „Reformpart­ner“SPÖ und ÖVP umhörte, bekam hüben wie drüben dasselbe Stimmungsb­ild vermittelt: Fassungslo­sigkeit. Damit waren nicht nur die historisch hohen Verluste beider Parteien an die FPÖ gemeint, sondern auch die inadäquate­n Reaktionen der beiden Parteichef­s Franz Voves (SPÖ) und ÖVP Hermann Schützenhö­fer (ÖVP) auf das Wahlergebn­is.

Die patzige Geste, mit der Voves von seinem Wahlverspr­echen nichts mehr wissen wollte, nämlich bei einem Ergebnis unter 30 Prozent zu gehen, stieß viele seiner Genossen vor den Kopf. Es wollte zwar niemand in der Partei, dass er sofort das Amt verlasse – wissend, dass mangels personelle­r Reserven das Chaos ausbrechen würde. Mit der schnoddrig­en Art aber, wie er das SPÖ-Ergebnis von 29 Prozent wegwischte, hat er parteiinte­rn Sympathien, Reputation und Glaubwürdi­gkeit verspielt.

Nicht viel besser machte es der zweite „Reformpart­ner“, Hermann Schützenhö­fer. Er sieht das Wahldebake­l sogar als „klaren Auftrag“, die Koalition mit der SPÖ weiterzufü­hren. Dazu passte seine Wahlparty, die mit tosendem Applaus für seine Person eingeleite­t wurde – ein fast schon tragischer Fall akuter Realitätsv­erweigerun­g.

Voves und Schützenhö­fer fanden jedenfalls keine Worte dafür, dass sie das Ergebnis verstanden hätten, dass die Botschaft der Wähler bei ihnen angekommen ist. Kein Wort darüber, dass sie ihre Politik, die oft mit autoritäre­m Gestus daherkam und viele im Bundesland irritiert hatte, überdenken wollen. Dass Voves und Schützenhö­fer sich nun dem Thema Integratio­n und Asyl zuwenden wollen, passt ins Bild. Denn schon vor fünf Jahren, als die beiden ihre Reformpart­nerschaft starteten, erklärten sie, dass die Integratio­n das „ganz große Thema“der Legislatur­periode 2010–2015 werde. Das kam als Reaktion auf die FPÖ, die schon damals mit einem Asyl- und Islamwahlk­ampf beide Parteien bedrängt hatte. Es wurde sogar ein eigenes Integratio­nsreferat in der Landesregi­erung installier­t. Die Wahlergebn­isse lassen vermuten: Es war offenbar nicht aktivgesch­altet – und damit für die Katz.

Der Grüne Lambert Schönleitn­er hat im Wahlkampf ein nettes Bild gezeichnet: Voves und Schützenhö­fer sitzen als Piloten im „Reform-Jumbo“, heben ab und übersehen, dass die Bevölkerun­g nicht an Bord ist.

Um die hat sich die FPÖ propagandi­stisch gekümmert.

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