Karl Wlaschek 1917–2015
Ein Mann, der in Eigenregie vom mittellosen Musiker zum Milliardär aufstieg. Fleiß, Handschlagqualität und Humor prägten sein Leben. Im Alter von 94 Jahren heiratete er noch einmal. Er verstarb 97-jährig.
Billa-Gründer Karl Wlaschek ist am Sonntag 97-jährig an den Folgen einer Lungenentzündung in einem Grazer Spital gestorben. Wlaschek begann seine Karriere als Barmusiker, gründete 1961 Billa und machte die Gruppe zum größten Lebensmittelanbieter in Österreich. 1996 verkaufte er an den deutschen Rewe-Konzern. Über seine Stiftungen investierte Wlaschek fortan in Immobilien in sehr guten Lagen. So erfolgreich er als Geschäftsmann war, als Ehemann versuchte er sein Glück öfter: Legendär ist Wlascheks Selbsteinschätzung: „Beim G’schäft bin i guat, bei de Weiber bin i a Depp.“
Wien – „Sparsamkeit, Handschlagqualität, keine Aktien, keine Partner und nur Immobilien in Österreich kaufen.“So hat Karl Wlaschek in einem seiner letzten Interviews die goldenen Regeln beschrieben, nach denen er zeit seines Lebens Geschäfte machte. Wlaschek war medienscheu und traf seine Entscheidungen meist aus dem Bauch heraus – und allein. Er war einer der ganz wenigen Selfmade-Milliardäre, die es in Österreich nach Kriegsende ganz hinauf geschafft hatten.
Karl Wlaschek, am 4. August 1917 in Wien geboren, ist am 31. Mai mit 97 Jahren an einer Lungenentzündung in einem Spital in Graz gestorben.
Begonnen hat Wlaschek seine Karriere als Maturant und Student, der sechs Semester lang Chemie inskribiert hatte. Sein Startkapital betrug 30.000 Schilling, die er sich als Musiker erspart hatte. Eine Karriere, wie sie heute nicht mehr möglich wäre, räumte Wlaschek später selbst ein.
Zuletzt hat Wlaschek im Herbst 2011 von sich reden gemacht, als er in Kärnten von der angeschlagenen Hypo das Schlosshotel Velden um kolportierte 50 Millionen Euro erworben hatte. In Velden schloss sich ein Kreis: In dem Hotel am Wörthersee hatte der junge Wlaschek nach dem Krieg mit seiner Fünf-Mann-Kapelle „Charlie Walker Band“aufgespielt. Ein Engagement, das sich lange materialisieren sollte: Wlaschek sicherte sich im Schlosshotel eine Juniorsuite – auf Lebenszeit.
1953, als damals 36-Jähriger, setzte er einen Schlussstrich unter seine Musikkarriere und begann in Wien mit einer Diskontparfümerie. Wlaschek hatte PR- und kaufmännisches Talent. Erstmals wurden an den Fenstern und Türen des Ladens in großen Buchstaben für Sensationspreise geworben.
„Billiger Laden“
1961 folgte die Geburtsstunde von Billa. Bis dahin liefen seine Läden unter dem Namen WKW, damals taufte er die Filialen in Billa („Billiger Laden“) um. Für die Farbgebung des Logos recherchierte der quirlige Geschäftsmann auf der Autobahn. Er beobachtete, welche Autofarben ihm besonders auffielen. Es waren Gelb und Rot, die Farben der Shell- und Maggi-Wagen.
Das erste Büro, so erzählen Wegbegleiter, die ihm bis zuletzt die Treue und Freundschaft hielten, war eher spartanisch eingerichtet: Nur die allernotwendigsten Möbel wurden angeschafft, im Übrigen behalf man sich unter Sparmeister Wlaschek mit Bananenkisten.
Ab 1969 diversifizierte Kaufmann Wlaschek seine Aktivitäten weiter, kaufte die Verbrauchermarktkette Merkur und gründete 1977 den Buchhandelsfilialisten Libro, den Discounter Mondo und die Schokothek. 1977 erstand Wlaschek auch die Litega AG (Matratzen, Textil).
1996 sorgte Wlaschek für einen veritablen Paukenschlag im österreichischen deut-
schen Handel. Abseits jeglicher Öffentlichkeit hatte er einen Deal mit dem deutschen Lebensmittelriesen Rewe eingefädelt und verkaufte selbigem die Billa-Gruppe quasi über Nacht und um kolportierte 15 Mrd. Schilling. Ein Coup, von dem nicht einmal sein langjähriger Geschäftsführer und Ziehsohn, Veit Schalle, etwas gewusst hatte – was Schalle ihm angeblich auch nie verziehen hat. Die Billa-Gruppe machte damals 45,8 Mrd. Schilling (3,3 Mrd. Euro) Umsatz und hatte 18.000 Mitarbeiter.
Konzentration vorausgesehen
Wlascheks Überlegung lautete so: In Österreich würden im nächsten Jahrtausend weniger Lebensmittelketten bestehen bleiben, als man Finger an einer Hand hat. Billa, als die Nummer eins, werde zweifellos dazugehören. Aber der gleiche Konzentrationsprozess findet in Europa, ja auf der ganzen Welt statt.
Karl Wlaschek war klar, dass sein Lebenswerk nur dann eine Chance auf Fortbestand haben kann, wenn Billa diesem exklusiven Zirkel angehört – egal, unter welchem Eigentümer. Wlaschek war klar, dass sein Unternehmen nur in einem großen europäischen Verbund weiter bestehen könne – Rewe erschien ihm als der richtige Garant dafür. Die Rechnung des Billa-Gründers – bleibt der Name Billa erhalten, überlebt auch sein, Wlascheks Werk – ist schließlich auch aufgegangen.
Der Verkaufsdeal lief tatsächlich unter allerhöchster Geheimhaltungsstufe ab. Wlaschek ließ seinen vier Stiftungsräten einen Tag vor dem Verkaufsabschluss bei Rewe in Köln bestellen, sie mögen sich um 19 Uhr in der Kanzlei des Wiener Wirtschaftstreuhänders Günter Cerha einfinden. Mit knappen Worten teilte er den völlig Ahnungslosen mit: „Ich werde morgen den gesamten Billa-Konzern an die deutsche Rewe-Gruppe verkaufen.“Die Herren mögen doch hier und jetzt die dafür notwendigen Beschlüsse fassen. Karl Wlaschek sprach’s – und ließ die überraschten Räte stehen. Er dürfte nicht mehr überzeugt gewesen sein, dass die Stiftungsräte sein Unternehmen auch in das nächste Jahrtausend führen können.
Noch im selben Jahr 1996 bot Wlaschek beim Verlauf der Creditanstalt (CA) mit. 16 Milliarden Schilling bot er angeblich, zog aber schlussendlich zurück. Eigentlich hätte er nur die Immobilien der CA haben wollen, gab er später zu. Und die sollte Wlaschek schließlich auch bekommen, wenn auch über einen Umweg: Er kaufte sie aus der Örag heraus, in der die CA all ihre Immobilien gebündelt hatte.
Seither kannte man den alten Herrn als Immobilieninvestor, wenngleich er das auch schon während seiner Billa-Zeit gewesen war. „Ich bin zwar mit der Greißle-
rei wohlhabend geworden, habe aber nie vom Billa-Konzern gelebt, sondern immer von den Realitäten. Ich habe Grundstücke und Häuser gekauft, dort Billa-Filialen eingerichtet und habe dann als Privatmann Miete für die Filialen kassiert“, wurde er zitiert. Auch nach dem Verkauf an Rewe musste Billa Miete an Wlaschek zahlen.
Über seine Stiftungen wurde Wlaschek Hausherr der Wiener Inneren Stadt. Er erwarb die schönsten Palais, wie Kinsky, Harrach, Esterhazy oder Ferstel. Dazu hat er Bürotürme Adromeda Tower und Ares in der DonauCity gekauft und Etliches mehr. Sein Familienvermögen wuchs und wuchs – und wird heute auf über vier Milliarden Euro geschätzt. Er selbst zeigte sich bescheiden. Im Wiener Café Central, das ihm auch gehörte, pflegte er als hochbetagter Herr gern zu speisen, bestellt hat er dort „das Einser-“oder „das Zweiermenü“.
So erfolgreich Wlaschek als Geschäftsmann war, als Ehemann versuchte er sein Glück öfter: Viel zitiert und legendär ist Wlascheks Selbsteinschätzung: „Beim G’schäft bin i guat, bei de Weiber bin i a Depp.“Unbestrittenermaßen gehörte er bis ins hohe Alter zu den Salonlöwen Österreichs. Drei Ehen wurden geschieden, seine vierte Frau, Karin, verstarb 2003. Am 14. April 2012 hat Wlaschek 94-jährig im engsten Kreis bei der Wiederöffnung „seines“Schlosshotels Velden erneut geheiratet, seine Lebensgefährtin Friederike Schenk. Aus erster bzw. zweiter Ehe hat Wlaschek eine Tochter (Marie-Louise) und einen Sohn (den 1974 geborenen Karl Philipp, der ebenfalls im Immobiliengeschäft aktiv ist), aus der dritten Ehe eine Stieftochter.
Beigesetzt wird Wlaschek quasi bei sich zu Hause, in seinem Mausoleum im Palais Kinsky auf der Wiener Freyung. Das hat er für seine verstorbene Frau und sich selbst errichten lassen.