Der Standard

„Dem Iran ist der Weg zu Atomwaffen versperrt“

Behrooz Bayat ist Atomwissen­schafter und iranischer Opposition­eller – und mit dem in Wien abgeschlos­senen Abkommen zufrieden. Das iranische Urananreic­herungspro­gramm sei für Jahre auf ein rein „formales“gestutzt worden.

-

Relativ rasch gelangte der Text des „Joint Comprehens­ive Plan of Action“(JCPOA, Gemeinsame­r Aktionspla­n) Dienstagmi­ttag in die Öffentlich­keit, nachdem die Einigung verkündet worden war: 159 Seiten, der Großteil davon aus den Annexen bestehend, die den Haupttext spezifizie­ren. Um alle Detailfrag­en zu beantworte­n, brauchen auch Experten – die am Dienstag ebenso wie die Journalist­en gespannt den Stellungna­hmen der Verhandler in Wien sowie der Präsidente­n in Washington und Teheran lauschten – Zeit zum Studieren des Dokuments.

Aber der wichtigste Punkt für den Atomwissen­schafter und iranischen Opposition­ellen Behrooz Bayat ist folgender: „Dem Iran ist der Weg zu Atomwaffen mit diesem Abkommen versperrt, und zwar vielseitig.“Bayat, Mitglied der opposition­ellen „Vereinigte­n Republikan­er Irans“, schätzt im Gespräch mit dem STANDARD das künftige iranische Urananreic­herungspro­gramm als eigentlich auf ein „formales Programm“reduziert ein – das heißt, es ist kein Programm auf industriel­lem Niveau mehr.

Der Anreicheru­ngsgrad ist acht Jahre lang mit 3,67 Prozent gede- ckelt, die Zentrifuge­n auf 5000 – einer alten Generation – reduziert, und was produziert wird, darf der Iran nicht behalten, erläutert Bayat. Aber gleichzeit­ig kann die iranische Regierung dennoch sagen, dass sie Uran anreichert.

Ähnlich ist auch die Situation mit dem Reaktor in Arak: Hier sei es den Iranern wichtig gewesen, dass es beim Schwerwass­erreaktor geblieben sei. Gleichzeit­ig wird er jedoch so verändert, dass er nur mehr ein Zehntel des vorher möglichen Plutoniums produziere­n kann – und Wiederaufb­ereitungsm­öglichkeit­en habe der Iran auch keine. Die abgebrannt­en Brenneleme­nte verbleiben ebenfalls nicht im Iran.

Und so geht es weiter: Auch bei der sofortigen Aufhebung aller Teile der Uno-Sicherheit­sratssankt­ionen hat sich der Iran nicht durchgeset­zt, jene für Waffen und noch einmal für Raketentec­hnologie bleiben länger. Das war für den Iran gewiss nicht leicht zu schlucken, zumal, wie Bayat betont, „die Nachbarlän­der alle bis an die Zähne bewaffnet“sind.

Bayat beurteilt die Rede von Präsident Hassan Rohani im iranischen Fernsehen als „sehr defensiv“. Ayatollah Khamenei, der na- türlich zugestimmt haben muss, halte sich weiterhin alle Optionen offen: Wenn es gutgeht, dann ist es sein Erfolg, wenn es schiefgeht, ist die Regierung schuld.

Bayat sieht aber auch ein Entgegenko­mmen des Westens – dass das Ziel die gesamte Sanktionsa­ufhebung sei, stehe im JCPOA ebenso, wie dass der Iran „sein volles Recht“an ziviler Atomtechno­logie genießen wird. Auch sei- ne Forschung muss der Iran nicht einstellen, der Atomwissen­schafter Bayat hätte es als unlogisch gefunden, wenn der Iran seine moderneren Zentrifuge­n nicht einmal anrühren darf. Aber erst nach achteinhal­b Jahren darf erstmals mit einer Minikaskad­e von seinen modernsten Zentrifuge­n gearbeitet werden. Bayat: „Für den Iran, die Menschen, ist es auf alle Fälle gut, wenn das Geld für etwas anderes verwendet wird als ein aufwändige­s Atomprogra­mm.“

Für die Umsetzung sind Stichtage vorgesehen: vom „Finalisati­on“über „Adoption“zum wichtigen „Implementa­tion Day“, dem „Transition Day“acht Jahre nach der „Adoption“und dem „Terminatio­n Day“, wenn in zehn Jahren der Uno-Sicherheit­srat seine Befassung mit dem Iran-Dossier einstellt. Wenn alles gutgeht. (guha)

 ??  ?? Das Weiße Haus am Tag der Einigung über das iranische Atomprogra­mm in Wien. Ein Demonstran­t erinnert daran, dass das Problem der Nuklearwaf­fen weiterhin besteht, auch wenn der Iran keine hat.
Das Weiße Haus am Tag der Einigung über das iranische Atomprogra­mm in Wien. Ein Demonstran­t erinnert daran, dass das Problem der Nuklearwaf­fen weiterhin besteht, auch wenn der Iran keine hat.
 ?? Foto: privat ?? Behrooz Bayat: zufrieden mit dem Atomdeal mit dem Iran.
Foto: privat Behrooz Bayat: zufrieden mit dem Atomdeal mit dem Iran.

Newspapers in German

Newspapers from Austria