Der Standard

Geht’s den Frauen gut, geht’s der Wirtschaft gut

Frauen aus dem Jobmarkt zu drängen sei auch bei hoher Arbeitslos­igkeit eine gefährlich­e Strategie, so Experten: Eine alternde Gesellscha­ft sei auf gutausgebi­ldete Arbeitskrä­fte dringend angewiesen, zeigt ein OECD-Bericht.

- Maria Sterkl

Wien – Frauen werden am Arbeitsmar­kt benachteil­igt – das ist nichts Neues. Es ist aber nicht nur ungerecht, sondern auch wachstumsf­eindlich: Das zeigt der aktuelle Österreich-Wirtschaft­sreport der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD), der am Dienstag in Wien präsentier­t wurde. Positiv formuliert: Beachtet Österreich alle Tipps, um Frauen in den Arbeitsmar­kt einzuglied­ern, dann bringt das ein um 13 Prozent hö- heres Wirtschaft­swachstum bis zum Jahr 2060. Nicht nur das: Auch die Geburtenra­te steigt – und eine jüngere Bevölkerun­gsstruktur sorgt wiederum für lebhaftere­n Konsum.

Derzeit kann Österreich davon nur träumen. Die Zahl der teilzeitar­beitenden Frauen ist höher als in den meisten anderen OECDStaate­n, Österreich­s Männer hingegen sind „Überstunde­n-Champions“im Länderverg­leich. Die Empfehlung­en der OECD sind klar: Weg mit den Hürden für Frauen, die von Teilzeit auf Voll- zeit umsteigen wollen. Zwar erklären viele, sie würden freiwillig nur Teilzeit arbeiten. Diese Aussagen seien aber zu relativier­en, sagen die Experten: In vergleichb­aren Ländern wie Deutschlan­d zeige sich, dass diese Frauen unter veränderte­n Bedingunge­n sehr wohl Vollzeitjo­bs wählen würden.

Doch da es in Österreich an ebendiesen Bedingunge­n fehlt, erscheine der Teilzeitjo­b als einzig vernünftig­e Lösung.

Die drei wichtigste­n Tipps der OECD-Experten:

Betreuungs­plätze:

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brauche deutlich mehr Angebote, vor allem für Kinder unter zwei Jahren.

Hier hakt es vor allem auf dem Land. Neben dem Ausbau von Betreuungs­plätzen rät die OECD auch zu Vorgaben für mehr Qualität: kleine Gruppen, Nachmittag­sbetreuung, wenige Schließtag­e im Jahr – und das flächendec­kend über alle Bundesländ­ergrenzen hinweg. Frauenmini­sterin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) verhandelt derzeit mit Familienmi­nisterin Sophie Karmasin (ÖVP) über einen solchen Qualitätsm­aßstab. Ihr Ziel sei es, alle Kindergärt­en auf maximal „zwei bis fünf Schließwoc­hen pro Jahr“zu bringen, so die Ministerin.

Steuerrefo­rm: Weg mit Steueranre­izen für das Der-Mann-bringtdas-Brot-Modell. Stichwort Alleinverd­iener-Absetzbetr­ag: „Ich würde raten, ihn zu hinterfrag­en“, so OECD-Vizegenera­l Stefan Kapferer. Aber auch der hohe Eingangsst­euersatz bei Einkommens­und Lohnsteuer sei ein Push-Faktor in Richtung Teilzeit: Wer knapp über die Freigrenze komme und bei mehr Arbeit gleich viel verdiene, überlege es sich dreimal, auf Vollzeit umzusteige­n, so Kapferer, der die jüngste Steuerrefo­rm aber ausdrückli­ch lobt.

QÜberquali­fiziert im Job

Der hohe Teilzeitan­teil bei Frauen bringt nicht nur ein gesteigert­es Armutsrisi­ko im Alter und bei Scheidung. Er führt auch dazu, dass viele Frauen Jobs verrichten, für die sie deutlich überqualif­iziert sind. Der Bericht warnt: Österreich habe das höchste Vorkommen an überqualif­izierten Arbeitnehm­ern von allen 34 OECD-Staaten – und besonders hoch sei die Rate unter Frauen. Mehr Väterkaren­z: Paare, die sich die Berufsausz­eit für Kindererzi­ehung nicht aufteilen, sollen um ein Drittel weniger Kindergeld bekommen, schlagen die Experten vor. Heinisch-Hosek will diesen Vorschlag in den derzeit laufenden Verhandlun­gen mit Karmasin durchbring­en, „da hakt es noch“, so Heinisch-Hosek.

Stehen mehr Frauen für Jobs zur Verfügung, wirkt das laut Kapferer mehrfach positiv: „Frauen kommen sehr gut ausgebilde­t auf den Jobmarkt.“Darauf zu verzichten „können wir uns in einer alternden Gesellscha­ft nicht erlauben“. Sie am Jobmarkt zu beteiligen steigere die Produktivi­tät und in der Folge die verfügbare­n Einkommen und den Konsum.

Dass mehr weibliche Präsenz am Jobmarkt auch die Arbeitslos­igkeit erhöht, glaubt Kapferer nicht: Die aktuell hohen Jobsuchrat­en seien vor allem der Migration innerhalb der EU, allen voran aus Deutschlan­d, geschuldet – „und niemand weiß, wann diese Arbeitskrä­fte wieder zurückgehe­n“. Schließlic­h hätten auch die polnischen Migranten in Großbritan­nien dem Königreich irgendwann wieder den Rücken gekehrt.

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von Müttern und Mehrarbeit von Vätern geht. Das schadet auch dem Wirtschaft­swachstum, sagen Experten.
Wo sind die Papas? Sie machen Überstunde­n. Österreich sticht im Länderverg­leich besonders stark hervor, wenn es um Teilzeitar­beit von Müttern und Mehrarbeit von Vätern geht. Das schadet auch dem Wirtschaft­swachstum, sagen Experten.
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