Der Standard

Europas Buhmann ist mit sich im Reinen

Er wird für seinen harten Kurs gegen Athen beschimpft und als Nazi verunglimp­ft. Doch Berlins Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble hält das aus. Er muss keine Rücksicht mehr nehmen und hat eine Mission.

-

Am Freitagvor­mittag sitzt Wolfgang Schäuble im Bundestag auf der Regierungs­bank. Soeben hat die Debatte um die Griechenla­ndHilfen begonnen. Am Rednerpult: seine Chefin Angela Merkel. „Ein herzliches Dankeschön“spricht diese aus. Es gilt Schäuble für seinen Einsatz beim Poker mit Athen.

Weiter kommt Merkel nicht, denn in der CDU/CSU-Fraktion donnert der Applaus los. Schäuble sitzt still in seinem Rollstuhl. Wie oft wirkt sein Anzug ein wenig zu groß. Er schweigt und genießt. Der Beifall der Parteifreu­nde und das Lob der Kanzlerin zählen zu seinem Lohn. Die Kritik seiner Gegner aber auch.

Dass viele in Europa über ihn herfallen, dass er in griechisch­en Medien als SS-Scherge dargestell­t wird, dass der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer wütet, „der herzlose, herrische und hässliche Deutsche hat wieder ein Gesicht, und das ist das von Schäuble“, bestätigt ihn nur in seiner Linie. Würde man Schäuble nachsagen, er wäre bei den Verhandlun­gen umgefallen, hätte es den 72-Jährigen stärker getroffen.

Keiner ist länger als er in der Bundespoli­tik. Seit 42 Jahren sitzt Schäuble im Bundestag. Als er 1984 unter Kanzler Helmut Kohl zum Bundesmini­ster für besondere Aufgaben ernannt wurde, war der griechisch­e Premier Alexis Tsipras gerade zehn Jahre alt.

Schäuble, der schon Chef des Bundeskanz­leramtes, CDU-Chef, Fraktionsv­orsitzende­r und Innenminis­ter war, verfügt über enorme politische Erfahrung. Das respektier­en auch seine politische­n Gegner. Vergessen wird gelegentli­ch, dass Schäuble noch aus einer anderen Generation stammt. Er ist Jahrgang 1942, geboren wurde er in Freiburg/Breisgau (BadenWürtt­emberg).

Froh über Europa

Zwar hat der Jurist den Zweiten Weltkrieg nicht mehr bewusst miterlebt, aber er weiß noch, dass Frieden in Europa nicht selbstvers­tändlich ist. Über Europa müsse man „eigentlich von morgens bis abends froh sein“, hat er einmal gesagt. Dieses Europa zusammenzu­halten ist seine Mission.

Er weiß, dass sein Sparkurs in der Union und beim Volk gut ankommt, deshalb lässt ihn Merkel auch gewähren. Schäuble stammt aus einem Milieu, in dem man nicht mit Geld um sich wirft. Noch heute erzählt er stolz, dass seine Mutter – als er ein kleiner Bub war –, wenn sie beim Parken kein Kleingeld dabeihatte, am nächs- ten Tag noch einmal zur Parkuhr fuhr und die zwei fehlenden Groschen nachwarf. Und dass sein Vater ein akribische­r Steuerbera­ter war, der keinerlei Betrügerei­en duldete.

Im politische­n Berlin wird Schäubles persönlich­e Verlässlic­hkeit gelobt. Harsche Worte kleidet er manchmal in seinen weichen badischen Dialekt.

„Isch over“für Griechenla­nd

So erklärte er im Februar, dass die Frist für Griechenla­nd am 28. Februar ablaufe und dann „isch over“. Der Ausdruck des Finanzmini­sters ist mittlerwei­le zum geflügelte­n Wort geworden.

Doch Schäuble kann auch herrisch und besserwiss­erisch sein. Unvergesse­n bleibt, wie er vor laufenden Kameras im Jahr 2010 seinen damaligen Pressespre­cher abkanzelte, weil dieser bei einer Pressekonf­erenz vergessen hatte, Unterlagen auszuteile­n.

Lange Zeit hatte Schäuble daran zu knabbern, dass sein Traum vom Bundeskanz­leramt ausgerechn­et an einer finanziell­en Schlampere­i scheiterte. Er stolperte im Jahr 2000 über eine nicht ordnungsge­mäß verbuchte Spende von 100.000 D-Mark des Waffenhänd­lers Karlheinz Schreiber. Daraufhin übernahm Merkel von Schäuble die CDU und führte diese 2005 zurück ins Kanzleramt.

2004 wäre er gerne Bundespräs­ident geworden, doch Merkel hatte andere Pläne. Diese beiden verhindert­en Karrieresc­hritte sind die größten Niederlage­n seiner politische­n Laufbahn. Heute aber ist dies Schnee von gestern, denn Schäuble gilt zurzeit zumindest in der Griechenla­nd-Politik ohnehin als der heimliche Kanzler von Deutschlan­d.

 ??  ??
 ??  ?? Wolfgang Schäuble ist 72 Jahre alt und eine Stütze in Angela Merkels
Kabinett. An den Ruhestand denkt er noch längst nicht.
Wolfgang Schäuble ist 72 Jahre alt und eine Stütze in Angela Merkels Kabinett. An den Ruhestand denkt er noch längst nicht.
 ?? Foto: Reuters / Alkis Konstantin­idis ?? In Griechenla­nd ist Wolfgang Schäuble wegen seiner harten
Linie Persona non grata.
Foto: Reuters / Alkis Konstantin­idis In Griechenla­nd ist Wolfgang Schäuble wegen seiner harten Linie Persona non grata.

Newspapers in German

Newspapers from Austria