Vor der lieblichen Seenkulisse probt Kärnten in diesem Sommer die ersten Akte einer griechischen Tragödie. Nur ein Notkredit des Bundes rettete vor der Pleite. Das Land muss den Gürtel jetzt brutal enger schnallen und nimmt dabei gerade jenen die Luft we
und polarisiert. Es ist voll abgegangen. Und jetzt zahlen wir halt die Rechnung dafür.“
Der grüne Landesrat und HypoAufdecker Rolf Holub wird noch direkter: „Haider hatte Narrenfreiheit. Er war bei uns der Cäsar. Der konnte in die Bank hineingehen, ein Konto aufmachen und Gelder abheben – ohne Unterschrift, ohne Sicherheit. Wer hat sich schon getraut, ihm zu widersprechen? Angeschissen habe sie sich alle.“
Aufräumarbeiten
Die neue Landesregierung unter Peter Kaiser (SPÖ) ist seit dem Amtsantritt vor zwei Jahren fast ausschließlich mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Immer am Rande des finanziellen Abgrundes balancierend, immer das Katastrophenbild Griechenlands vor Augen. Ohne den 343-Millionen-EuroKredit, den der Bund kürzlich nach langen, für Kärnten demütigenden Verhandlungen letztlich doch rausrückte, wäre das Land pleite gewesen. Die Salzburger Politikwissenschafterin und Europa-Expertin Sonja PuntscherRiekmann ist der Meinung: „Im Grunde genommen ist Kärnten so pleite wie Griechenland.“
In Klagenfurt macht in diesen Tagen eine neue Wortschöpfung die Runde. „Prekärnten“– die Fusion aus Prekariat und Kärnten.
Die Landesregierung muss jetzt
REPORTAGE: jedenfalls den Gürtel brutal enger schnallen und nimmt dabei gerade jenen die Luft weg, die die größte Hoffnung in diese neue SPÖ-geführte Regierung gesetzt hatten. Jene, die nach den Haider-Jahren den Machtwechsel in Kärnten herbeigesehnt hatten – die kritischen, autonomen, freien Kulturund Sozialinitiativen. Sie sind jetzt die Ersten, die den Sparstift zu spüren bekommen. Während ringsum, wie sie kritisieren, weiter mit hunderttausenden Euro Fasching gefeiert wird, beim Bodypainting-Festival, beim Beachvolleyball, der Starnacht oder dem GTI-Treffen. Viel Spiele weiterhin, aber immer weniger Brot.
„Das ist alles wirklich sehr bitter“, klagt Emil Kristof vom Klagenfurter Universitätskulturzentrum Unikum, „in der Haider-Zeit waren wir auf Nulldiät gesetzt und hatten uns von der Regierung natürlich einen Aufbruch erwartet. Aber wir wurden schwer enttäuscht. 2016 soll es für uns noch schlimmer werden.“
Gerhard Lehner, Chef des Klagenfurter Ensembles, musste vier Mitarbeiter kündigen. „Ein Skandal, dass jene, die jahrelang gegen Haider Widerstand geleistet haben, jetzt bestraft werden – und all der Kommerz dank langfristiger Verträge weiter lustige Urständ’ feiert.“Und auch Angelika Hödl von der Interessenvertretung der freien und zeitgenössischen Kulturinitiativen in Kärnten/Koroška (KIKK) zeigt sich desillusioniert: „Es ist traurig und absurd, dass es uns jetzt schlechter geht als unter den Blauen. Das alles folgt im Grunde derselben Finanz- und Politiklogik wie jetzt in Griechenland.“Auch die erpresserische Art, wie Wien mit Kärnten umgesprungen sei und das Land zu diesem Sparkurs gezwungen habe, passe da ins Schema.
Gekürzt wird überall, bei den Schulen, von Beamten bis zum Tourismus. Ungeschoren bleibt auch der Gesundheitsbereich nicht. 2016 müssen 51 Millionen Euro eingespart werden, einen Teil muss die Kulturszene aufbringen. Rund 60 bis 70 Kulturinitiativen sind von Budgetkürzungen betroffen. „Für das Gros der Bevölkerung ist es wahrscheinlich kaum bemerkbar, da die Initiativen nur in der Szene bekannt sind, für die Entwicklung einer Gesellschaft sind sie aber ein wichtiger kultureller Humus. Da geht großes Potenzial verloren“, warnt die in Kärnten lehrende Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.
Kein Honig mehr
Landeshauptmann Peter Kaiser, ein studierter Soziologe, ist sich der Tragweite der Problematik natürlich bewusst. „Wir sind ohne Zweifel in einer extrem schwieri- gen Situation. Als der 343-Millionen-Euro-Kredit da war, haben natürlich alle geglaubt, jetzt fließen wieder Milch und Honig. Aber das gibt’s nicht mehr. Wir haben keine andere Wahl und müssen alle Ausgaben überprüfen und schauen, ob sie Arbeitsplätze bringen, Innovationen und Wirtschaftsimpulse auslösen. Wir dürfen und werden natürlich keinen Kahlschlag machen.“Aber genau das wird von der jungen Szene beklagt.
Die Industriellenvereinigung Kärnten hat in diesem Zusammenhang kürzlich nachgerechnet, dass jeden Tag – statistisch gesehen – neun gut ausgebildete Kärntner Jugendliche das Land verlassen. Mehr als die Hälfte all jener, die in andere Bundesländer abwandern, verfügt über einen Hochschulabschluss.
Substanzverlust
Der Substanzverlust im Land ist auch augenscheinlich. „Es ist schon traurig, wenn man sieht, wie auch die Geschäfte in der Stadt zusperren und man überall leere Schaufenster sieht“, sagt die Klagenfurter Buchhändlerin Sabine Tscharre, die vor einem Supermarkt mit ihrem Hund an der Leine wartet. Es sei schwer durchzukommen in diesen Tagen.
Schräg gegenüber dem Shoppingcenter ragt die monströse Stahl-Glas-Konstruktion des USArchitekten Thom Mayne für die einstige Hypo-Zentrale wie ein Geisterschiff aus dem Boden. Ein 250-Millionen-Mahnmal provinziellen Größenwahns, der ein Bundesland in den Ruin getrieben und ehemalige Topmanager und Politiker hinter Gitter gebracht hat.
Es gibt aber auch noch einen anderen, überraschenden Blickwinkel auf das Krisenland Kärnten. „Das Bundesland Kärnten steht eigentlich hervorragend da, weit besser als der österreichische Durchschnitt“, sagt Gilbert Waldner, Sprecher der Kärntner Industriellenvereinigung. „Kärn-