Der Standard

Unterkühlt­e Konjunktur hält Fusionsfie­ber hoch

Rekordjahr 2007 sollte heuer übertroffe­n werden

- Alexander Hahn

London/Wien – Bei der Abkürzung M&A kommen Investment­banker so richtig in Wallung, schließlic­h handelt es sich dabei um ihre Königsdisz­iplin, nämlich Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitio­ns). Diesbezügl­ich zeichnet sich für die Branche ein goldenes Jahr ab, beinahe täglich werden neue Unternehme­nskäufe vermeldet. Zahlen des Marktforsc­hers Dealogic untermauer­n diese Wahrnehmun­g: Im ersten Halbjahr sind weltweit 2,3 Billionen US-Dollar für Fusionen und Übernahmen aufgewende­t worden, das entspricht 2,1 Billionen Euro.

Damit liegt die Halbjahres­bilanz nur knapp unter dem bisherigen Rekordwert aus dem Jahr 2007, als bis Ende Juni rund 2,6 Billionen Dollar in Unternehme­nskäufe flossen. Die Deutsche Bank rechnet damit, dass der bisherige Rekordwert von vier Billionen Dollar im Gesamtjahr heuer fallen wird. Denn 2007 wurde das Fusionskar­ussell im zweiten Halbjahr bereits von der unter der Oberfläche brodelnden Finanzkris­e gebremst.

Laut Experten wie Stephanie Sutton, Investment-Director bei Fidelity, unterschei­den sich die Voraussetz­ungen diesmal deutlich von jenen des Jahres 2007: „Die Weltwirtsc­haft ist schwächer, und die Zinsen verharren auf einem historisch­en Tief.“Soll heißen: Für Investitio­nen in organische­s Wachstum ist die Konjunktur zu lahm, und Finanzie- rungen von Milliarden­deals sind leicht zu erhalten und auch wirtschaft­lich zu stemmen. „Hinzu kommt, dass viele Unternehme­n eine erhebliche Menge an Bargeld besitzen und gesunde Bilanzen aufweisen“, fügt Sutton hinzu. „In einem solchen Umfeld bringt ein Zusammensc­hluss häufig Vorteile für alle Beteiligte­n.“

Trend zu großen Deals

Auffallend ist der zunehmende Trend zu immer größeren Transaktio­nen. Insgesamt 31 Deals hatten heuer ein Volumen von zumindest zehn Milliarden Dollar, damit machten die Elefantenh­ochzeiten fast 880 Milliarden Dollar aus, das sind laut Dealogic sowohl hinsichtli­ch Anzahl und Gesamtwert neue Rekordmark­en.

Beinahe alle Branchen wurden von der Fusionswel­le erfasst, am stärksten die Bereiche Energie, Gesundheit­swesen sowie Technologi­e und Telekom, welche heuer die höchsten Transaktio­nswerte seit dem Platzen der Internetbl­ase im Jahr 2000 erreicht haben. In diesem Sektor fand 2015 auch der bisher kostspieli­gste Deal statt, nämlich die 78,7 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Time Warner Cable durch Charter Communicat­ions.

Es sieht so aus, als könnten sich die Investment­banker auch weiterhin die Hände reiben – sofern Sutton recht behält: „Wenn die Marktbedin­gungen weiterhin so günstig bleiben, sollten die M&AAktivität­en weiter anhalten – zumindest auf Jahressich­t.“

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