Der Standard

Pink Lady lässt Apfelbauer­n rotsehen

Sie sind makellos, teuer und maßgeschne­idert: Clubsorten lassen manch österreich­ischen Apfel alt aussehen. Über den Kampf ums Obstregal, das Spiel mit Abhängigke­iten und den Vormarsch der Biobranche.

- Verena Kainrath

Wien – Evelina wäre gern wie Pink Lady. Auch Jazz, Kanzi und Staccato eifern ihr nach. Allein sie stehen im Apfelregal im Schatten der makellosen Schönheit. Alle vier verbindet zwar Clubzwang, keiner reicht aber an die Popularitä­t der exotischen Rosafarben­en heran.

Pink Lady ist eine Clubsorte, bei der Österreich­s Obstbauern zusehends Rot sehen. Gekreuzt in Australien, hat sie sich für ihre Eigentümer und Produzente­n als Lottosechs­er entpuppt. „Auf zwei Hektar erzielt man mit ihr gleich hohe Umsätze wie mit anderen Sorten auf gut 15,16 Hektar“, sagt Rupert Gsöls nicht ohne Wehmut. Alle im Club verdienten gutes Geld. Gsöls, Obmann des Verbands steirische­r Erwerbsbau­ern, ist nicht im Club. Wie auch kein anderer seiner österreich­ischen Branchenko­llegen.

Nicht, dass sie es nicht immer wieder versucht hätten. Aber die französisc­hen Vermarkter der Lady befanden das klimatisch­e Umfeld Österreich­s für die Dame, die auf lange Vegetation­szeiten Wert legt, für nicht gut genug.

Der Aufbau von Clubsorten bedingt hohe Investitio­nen und viel Know-how. Die Markenarti­kelindustr­ie ist Vorbild: Mit ihrem Wissen werden simple Äpfel, die sich in Blindverko­stungen selten vom Durchschni­tt abheben, mit Emotionen und Botschafte­n aufgeladen. Die Maschineri­e dahinter macht sich bezahlt, sobald Konsumente­n darauf einsteigen. Sie lassen sich etwa das Kilo Pink Lady im Super- markt bis zu drei Euro und mehr kosten. Die Hälfte davon gehört dem Handel. Gsöls schätzt, dass sich Clubsorten mit ihrer großteils internatio­nalen Herkunft mittlerwei­le bereits fünf bis zehn Prozent des Marktes holten – Anteile, die österreich­ischem Obst in der heftig umkämpften Branche fehlen.

Die Lizenz für die zartrote, im Biss krachharte Lady besitzt in Europa Philippe Toulemonde, Chef von Star Fruits. Er lässt den Apfel vor allem in Frankreich, Spanien und Italien anbauen. Die Bauern zahlen für die Lizenzen, legen für die Bäumchen einer einzigen dafür autorisier­ten Baumschule viel Geld hin und überlassen die Vermarktun­g den Franzosen. Gut 40 Prozent ihrer Ernte sind wegen diverser Mängel zumeist nicht unter der Marke Pink Lady verkaufbar.

Für die Produzente­n gibt es Fixpreise, zwei- bis dreimal höhere als für konvention­elle Äpfel. Dennoch sind die Clubs mit ihrem in sich geschlosse­nen System umstritten. Es ist das starke Abhängigke­itsverhält­nis, das viele Landwirte ablehnen, erzählt Andreas Spornberge­r, Obstbau-Experte der Boku Wien. In erster Linie verdiene vor allem der Lizenzgebe­r gut.

Anfang August trifft sich Österreich­s Apfelbranc­he für erste Ernteeinsc­hätzungen. Am 25. des Monats sollte der erste frische GalaApfel die Lagerbestä­nde aus dem Vorjahr ersetzen. Bleiben Unwetter aus, sollten sich solide Erträge ausgehen. Die Stimmung auf dem Markt ist dennoch im Keller.

Preise in Europa im Keller

Europaweit sinkt der Konsum an Äpfeln um zwei Prozent. Dazu kommen die Nachwehen der russischen Importsank­tionen, die das Geschäft aus den Fugen brachten. Jeder zweite österreich­ische Apfel geht in den Export. Doch den Bedarf decken schon die Polen: Auch Europas größter Produzent steht in Russland vor verschloss­enen Toren und verteilt seine Ware nun über andere Märkte. In der Folge fielen die Preise ins Bodenlose.

70 Prozent der Äpfel wurden unter den marktüblic­hen Preisen verscherbe­lt, sagt Gsöls. Betriebswi­rtschaftli­ch zahle die Branche drauf: Koste ein Kilo im Handel 99 Cent, blieben den Bauern davon keine 15 Cent, rechnet er vor. „Das ist weit unter den Produktion­skosten.“Um sie abzudecken, brauche es zwischen 35 bis 50 Cent. „Viel Wertschöpf­ung ging verloren, die Landwirte sind angeschlag­en.“

Spornberge­r sieht den Druck auf den Markt nicht geringer werden. Der niedrige Preis erfordere höhere Erträge auf bestehende­n Flächen. Was wiederum stärkere Mechanisie­rung und größere Betriebsei­nheiten voraussetz­t. Bei Dünger und Spritzmitt­eln gehe man an die Grenzen des Möglichen und Erlaubten – keiner könne sich Ernteausfä­lle leisten. „Viele Betriebe haben Existenzän­gste.“

Die Steiermark sorgt für 70 Prozent des Apfelanbau­s. Internatio­nal ist man mit ihren Mengen dennoch ein Zwerg: Österreich sorgt für lediglich ein bis zwei Prozent des europäisch­en Bedarfs.

Mehr Biss zeigt die Biobranche. In Österreich ist jeder zehnte Apfel biologisch. Zum dritten Mal in Folge sei es gelungen, die Nachfrage überwiegen­d mit österreich­ischer Ware zu decken, sagt Fritz Prem, Präsident des Europäisch­en Bioobst Forums. Hinter den Italienern und Deutschen arbeiteten sich die Österreich­er zu Europas größten Bioapfelpr­oduzenten auf.

Wie Pink Lady kämpfen auch biologisch­e Äpfel im Premiumseg­ment um Kunden. Bei der Ökobilanz gerät die Clubsorte aber ins Hintertref­fen. Je länger die Reifezeit, desto länger währt laut Experten der Einsatz von Pestiziden.

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Mitte August ersetzen die ersten frischen Äpfel die Lagerbestä­nde aus dem Vorjahr. Europaweit sinkt der Konsum um zwei Prozent.

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