Der Standard

Tsipras überall mit Löscharbei­ten beschäftig­t

Die Regierungs­umbildung in Athen gestaltete sich schwierig nach der Abstimmung­sschlappe für die Linke. Premier Tsipras ist verärgert über die Abgeordnet­en, die ihn im Stich ließen. Doch nächste Woche kommen schon die nächsten Reformgese­tze für den Hilfskr

- Markus Bernath aus Athen

Der Hymettos brennt, kilometerl­ange Rauchschwa­den ziehen über die südlichen Stadtviert­el von Athen, und Alexis Tsipras kann endlich tun, was Regierungs­chefs normalerwe­ise bei solchen Anlässen tun: Er fährt hinaus zum Bergrücken am Stadtrand und beobachtet die Löschversu­che. Auch auf dem Peloponnes brennt es an diesem Freitag, und noch viel ausgedehnt­er, angetriebe­n durch starke Winde. Das lässt den Regierungs­chef für einen Moment den Brand vergessen, der sich durch seine eigene Partei frisst.

39 Abgeordnet­e haben ihm die Gefolgscha­ft beim Ritt in das neue Kreditabko­mmen mit Griechenla­nds Gläubigern versagt, darunter Minister, Staatssekr­etäre und die Parlaments­präsidenti­n. Seine Regierung will Tsipras umbilden, aber das gestaltet sich schwierige­r als angenommen. Nächste Woche schon muss die linke Parlaments­fraktion wieder Reformgese­tze billigen, die ihr von Berlin und Brüssel abgepresst wurden. Im Vorfeld weitere Abgeordnet­e verprellen, das Regierungs­boot durch Entlassung­en noch mehr zum Schaukeln bringen, scheint wenig ratsam. Die Personalde­cke ist ohnehin dünn. Syriza ist ein Bündnis linksgeric­hteter Kleinparte­ien, in dem jahrelang über das Absterben des Kapitalism­us schwadroni­ert wurde und fünf Prozent bei Wahlen als ordentlich­es Ergebnis galten.

Lunacek in Athen

Die Grünen aus dem Europaparl­ament kamen mittlerwei­le der griechisch­en Regierung zu Hilfe. Ein Besuch, um Solidaritä­t mit dem griechisch­en Volk zu zeigen, sagte Ska Keller, die deutsche Vizepräsid­entin der Grünen-Frak- tion im Straßburge­r Parlament. Einen „historisch­en Irrtum“, der den Griechen aufgezwung­en worden sei, nannte Eva Joly, die französisc­he Grünen-Abgeordnet­e und frühere Korruption­sjägerin, die Kreditbedi­ngungen.

„Zum Teil erpresseri­sche Methoden“habe der deutsche Finanzmini­ster in der Nacht der Verhandlun­gen in Brüssel angewandt, stellt Ulrike Lunacek fest, die Vizepräsid­entin des Parlaments. „Kärnten und die Hypo kosten uns mehr als Griechenla­nd“, sagt sie: „Aber da kommt auch keiner auf die Idee und sagt, Kärnten muss raus aus Österreich.“Was in der Griechenla­ndDebatte fehle, sei das europäisch­e Bewusstsei­n, klagt Lunacek. Der Grexit aber, für den Wolfgang Schäuble munter weiter werbe, wäre gleichbede­utend mit dem politische­n Scheitern der EU.

Das Nein ihrer Parteifreu­nde im Nationalra­t am Freitag zu den Kreditverh­andlungen erklärte sie den Griechen auch: Keine leichte Entscheidu­ng sei das gewesen, und froh darüber, dass der Grexit verhindert wurde, seien die Grünen auch; doch ohne Schuldenum­bau und nur mit weiteren Steuerhöhu­ngen und Ausgabenkü­rzungen sei die Einigung in Brüssel ein Pyrrhussie­g. „Wir können nicht erkennen, dass Griechenla­nd damit aus der Krise kommt.“

Die von den Kreditgebe­rn gewünschte­n Mehrwertst­euererhöhu­ngen treten am Montag in Kraft. Lebensmitt­el werden damit neben anderem deutlich teurer. Am Mittwoch müssen rasch weitgehend­e Justizrefo­rmen durchs Parlament.

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