Der Standard

Zwei Vögel gehen auf Sendung

Die größte heimische Adlerart gedeiht offenbar prächtig: 24 Seeadlerpa­are leben in Österreich – und es werden jedes Jahr mehr. Im Nationalpa­rk Donauauen wurden nun zwei Jungvögel, Geschwiste­r, mit GPS ausgestatt­et, um sie überwachen zu können.

- Susanne Strnadl

Wien – Seit vor 15 Jahren von WWF und Nationalpa­rk Donauauen ein eigenes Schutzprog­ramm für den Seeadler ins Leben gerufen wurde, gibt es in Österreich wieder regelmäßig­e Bruten des mit 2,5 Metern Spannweite größten einheimisc­hen Adlers: Nachdem er mehr als 50 Jahre lang bei uns ausgestorb­en war, kehrte er mit der Jahrtausen­dwende langsam zurück. Mittlerwei­le gibt es 24 einheimisc­he Brutpaare.

Hoch in alten Bäumen baut der Seeadler ein Nest von zwei Metern Durchmesse­r. Dort hinein legt das Weibchen bereits im Februar ein bis zwei Eier, die etwas mehr als einen Monat bebrütet werden. Bis zum Flüggewerd­en der Jungen dauert es weitere zweieinhal­b bis drei Monate, und das ist die Phase, in der die jungen Adler beringt werden – und heuer erstmals auch besendert. Ein Geschwiste­rpaar wurde neben den üblichen Ringen auch mit einem GPS-Datablogge­r ausgestatt­et.

Sensible Tiere

Das klingt einfacher, als es ist: Seeadler reagieren sehr sensibel auf menschlich­e Störungen. Wenn der Zeitpunkt für eine solche Aktion nicht sorgfältig gewählt ist, kann es sein, dass sie das Gelege im Stich lassen. Mitarbeite­r des Schutzproj­ektes beobachten deshalb die Nester aus der Entfernung, bis die Jungvögel knapp vor dem Flüggewerd­en sind. „Zu diesem Zeitpunkt haben die Eltern schon so viel in die Brut investiert, dass sie nach der Aktion verlässlic­h zurückkomm­en“, wie Christian Pichler, Leiter des WWF-Seeadlerpr­ojektes, erklärt. Dann muss der Nestbaum erstiegen werden, und Seeadler brüten gewöhnlich rund 25 Meter über dem Boden. Diese Aufgabe übernehmen eigens ausgebilde­te Kletterer. Die Altvögel müssen sie dabei übrigens nicht fürchten: Diese beschränke­n sich darauf, das Geschehen aus sicherer Entfernung zu beobachten.

Schließlic­h braucht eine solche Aktion auch die Zustimmung des Grundbesit­zers oder des Jagdberech­tigten. Da trifft es sich gut, dass fünf der österreich­ischen Seeadler-Paare ihren Nistplatz im Nationalpa­rk Donauauen haben, der an dem Schutzproj­ekt beteiligt ist. Einer der Horste erfüllte die nötigen Bedingunge­n, um den Aufstieg für Mensch und Tier unbedenkli­ch zu machen. Die zwei jungen Adler, die dabei besendert wurden, haben dieser Tage das Nest verlassen. In den nächsten Jahren sollen sie unter anderem Aufschluss über ihre Wanderbewe­gungen geben, denn dazu gibt es noch viele offene Fragen.

Durch Daten aus Beringunge­n ist bekannt, dass Seeadler im Jugendstad­ium – also bevor sie mit fünf Jahren geschlecht­sreif werden – oft Strecken von mehreren hundert Kilometern zurücklege­n. So gehören viele Seeadler, die im Winter in Österreich zu sehen sind, nördlichen Population­en an: „Vor allem junge, unerfahren­e Tiere wandern mit ihren Beutetiere­n, wie Enten, in den Süden“, erzählt Pichler. Von den heimischen Vögeln weiß man, dass sie ihren Lebensraum erkunden. „Sie fliegen oft die Schutzgebi­ete an der Donau entlang“, wie Pichler weiter ausführt.

Wenn sie geschlecht­sreif werden, kehren sie jedoch in die Nähe des Elternhors­tes zurück und suchen dort nach einem Partner und einem geeigneten Nistplatz. Dafür brauchen sie einen tragfähige­n alten Baum, der möglichst weitab menschlich­er Störungen und nahe an einem Gewässer liegt, denn Seeadler fressen zur Brutzeit vorwiegend Fische und Wasservöge­l. Je nach Nahrungsan­gebot kann ein Brutpaar dabei einen Radius von drei bis 15 Kilometer um sein Nest herum beanspruch­en. Dass das Angebot nicht für endlos viele Vögel reicht, ist unter diesen Umständen klar. Wenn es zu eng wird, kommt es oft zu Kämpfen, die häufig tödlich ausgehen.

Ausbaufähi­ge Population

Das Potenzial der Donauauen östlich von Wien dürfte laut Pichler mit derzeit fünf Brutpaaren weitgehend ausgeschöp­ft sein. Platz für ein bis zwei weitere Paare könnte es in den Marchauen geben. Insgesamt bietet Österreich Lebensmögl­ichkeiten für 40 bis 50 Brutpaare, 24 sind es aktuell. „Ausbaufähi­g“wären diesbezügl­ich laut Pichler vor allem das Waldvierte­l, das Burgenland, die Südoststei­ermark und die Donau an der Grenze zwischen Oberösterr­eich und Niederöste­rreich. Dass es den vorhandene­n Vögeln gut gehen dürfte, darf man aus ihrem Bruterfolg schließen: Die 24 Paare brachten heuer insgesamt 24 Jungvögel hervor. „Bei einer vitalen Population geht man davon aus, dass sie durchschni­ttlich einen Jungvogel pro Brutpaar erzeugt“, erklärt Pichler, „das passt also.“

Von den GPS-Sendern erwartet sich Pichler Erkenntnis­se, die die Schutzbemü­hungen für die Art verbessern sollen. Nur sechs Wochen nachdem das Geschwiste­rpaar das Nest verlassen hat, gibt es auch schon die ersten verwertbar­en Ergebnisse: Überrasche­nderweise halten sich die Jungvögel nämlich noch immer in der Nähe des Nestes auf. „Das zu wissen ist wichtig, um Störungen zu vermeiden“, freut sich Pichler. Nächstes Jahr sollen weitere Seeadler im Nationalpa­rk Donauauen mit Sendern ausgestatt­et werden, wenn möglich aber auch in einem anderen Gebiet, um die Daten vergleiche­n zu können. „Solange die Seeadler nicht fix über den Berg sind, läuft das Schutzproj­ekt jedenfalls“, erklärt Pichler.

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Fische und Wasservöge­l zählen vor allem während der Brutzeit zu den Lieblingsl­eckerbisse­n der Seeadler. Heuer schlüpften in Österreich 24 Jungvögel, zwei davon wurden nun mit Sendern versehen.

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