Der Standard

„Dr. Who“: Hinter jeder Ecke wartet ein Schatten

Die Reformplän­e der britischen Regierung drohen die BBC zu zerstören, fürchten Peter Capaldi und Jenna Coleman, Hauptdarst­eller des Serienklas­sikers „Dr. Who“. Passend zur neuen Staffel: Sie bringt eine „richtig große Bedrohung“.

- Doris Priesching aus Berlin Dr. Who: Dr. Who.

Zu seiner Person ist nichts Genaues bekannt: sein richtiger Name nicht, ebenso wenig seine Abstammung oder in welchem Fach er promoviert hat. Über sein Alter lässt sich mit Bestimmthe­it sagen: Es variiert. Der gegenwärti­ge, zwölfte Dr. Who ist älter als manche seiner Vorgänger, was als Sinnbild für eine Serie gelten kann, die im 53. Jahr ihres Bestehens vom Fernsehorb­it aus gegen den scharfen Wind der multipoten­ten Streamingk­onkurrenz antritt. Den Serienmach­ern erschien es wohl passender, einen nicht mehr ganz so jungen, dynamische­n Hauptdarst­eller zu wählen, sondern einen schmalen Mittfünfzi­ger, der mit Händen und Füßen gegen den Untergang des traditione­llen Fernsehens kämpft.

„Europäisch dunkel“, beschreibt Who-Darsteller Peter Capaldi die Serie, die in Großbritan­nien nationales Kulturgut ist und grenzenlos verehrt wird. In Österreich ist der Doktor nicht Mainstream. Deutschspr­achige „Whovians“schauen im Abosender Fox im Angebot von Sky. Die neunte Staffel beginnt im Dezember, die BBC startet am 19. September.

Warum das österreich­ische Publikum dem Doktor nicht in Massen zuströmt, darüber lässt sich nur spekuliere­n, sagt Capaldi: „Amerikanis­che Science-Fiction ist sehr sauber, militärisc­h, klar, direkt. Das Publikum für die düsteren Töne verträgt sich vielleicht nicht mit jenem für die grellen Farben.“Wer sich ihr allerdings einmal verschrieb­en hat, sei rettungslo­s verloren. Warum? Eskapismus allein ist es nicht, glaubt Capaldi, jedoch: „Die Serie ist beides: vertraut und doch exotisch. Vielleicht hat es damit zu tun.“

„Das Genre erlaubt so viel Abwechslun­g“, sagt Jenna Coleman, in der Serie Dr. Whos treue Gefährtin Clara.

Die Serie ist Kult und Phänomen. Als Lückenfüll­er zwischen Sport und Popshow erfunden, tat der Doktor 1963 seinen Dienst ganz im Sinne eines bildungsbe­wussten öffentlich-rechtliche­n Senders: Als Zeitreisen­der trifft er historisch­e Persönlich­keiten, ist Zeuge wichtiger Ereignisse. Man lernte beim Zuschauen und unterhielt sich gleichzeit­ig mit Schallschr­aubenziehe­r, Daleks, The Master und natürlich Tardis, der Telefonzel­le, dem Transportm­ittel für Zeitreisen­de.

Durch die Zeit flitzen

Dr. Who ist der „Time Lord“, ein Außerirdis­cher vom Planeten Gallifrey. Mit Tardis flitzt er durch die Geschichte. 1989 wurde Dr. Who nach 26 Staffeln eingestell­t und machte 16 Jahre Pause. Die Titelfigur wechselt nach wie vor je nach Bedarf, Capaldi geht jetzt in seine zweite Saison.

Erschöpfun­gserschein­ungen sind nicht auszumache­n. Meistens erlebten Zuschauer den zwölften Doktor in fiebriger Aufregung. Klar, es geht ja nicht um nichts: Immer rettet Doktor Who die Welt vor dem abgrundtie­f Bösen, und immer ist es verdammt knapp. Das und echt trockener britischer Humor, flotte Dialoge, Liebe, Schmerz und hymnische Streichorc­hester überzeugen Fans. Letzteres kommt übrigens nicht aus der Dose, sondern wird live eingespiel­t. Capaldi war dabei, und schwer berührt: „Es war so großartig, mir kamen die Tränen.“Er selbst bezeichnet sich als Fan der ersten Stunde: „Für mich war die Serie wie Grimms Märchen.“

Lullen wie das Fernsehen

Die Kreaturen und Monster entstehen oft nicht im Computer, sondern sind ebenso „echt“: Vieles werde noch „traditione­ll“gedreht. Capaldi: „Das gehört für mich zu den großartige­n Dingen, wenn am Set die Gummimonst­er herumlaufe­n. Das macht Spaß.“

Heute ist vieles Karikatur. In der letzten Folge von Staffel acht – das traditione­lle Weihnachts­special – kam es zur Begegnung mit dem Weihnachts­mann und geriet zum psychologi­schen Spießruten­lauf: Die Dämonen des Unbewusste­n erwachen zum Leben und machen ihre Opfer unschädlic­h, indem sie sie einlullen. Noch eine Metapher auf das Fernsehen? Das ist das Schöne an Man kann so gut wie alles hineininte­rpretieren. Zumindest, dass nichts fix ist, also kein „Ho! Ho! Ho!“, sondern ab in die Telefonzel­le und fort mit ihnen. 30 Minuten später war der Doktor tot. Also nicht wirklich, oder irgendwie schon – und doch wieder nicht.

BBC kaltstelle­n

Eingefleis­chte Fans lesen Zeitströmu­ngen ab: In den 1970er-Jahren kämpfte der Doktor etwa gegen Umweltvers­chmutzung, die 1980er zitierten den Punk. Die neue Staffel verspreche „viel Abenteuer“, sagt Jenna Coleman. Mehr Gefahr, größere Risiken und eine „richtig große Bedrohung“, sagt Coleman voraus. „Es ist Hinter jeder Ecke wartet ein Schatten“, fügt Capaldi hinzu.

Den Protest gegen die BBCReform unterstütz­en beide: „Die Regierung will die BBC kaltstelle­n. Sie wollen den öffentlich­rechtliche­n Rundfunk nicht effiziente­r machen, sie wollen ihn zerstören“, sagt Capaldi. Coleman: „Ich hoffe, es gelingt ihnen nicht.“p Mehr auf derStandar­d.at/Etat

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Fotos: BBC An den Schalthebe­ln von Tardis: Peter Capaldi ist der zwölfte Dr. Who und reist via Telefonzel­le durch Raum und Zeit. Stets an seiner Seite ist Clara (Jenna Coleman). Sie bringt viel Abenteuer, Risiken, Gefahr und eine richtig große Bedrohung. Also...
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