Der Standard

Hegel und Kickl

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Dissertati­on über „Transzende­ntale Deduktion der Kategorien und Bewusstsei­nskapitel in Hegels Phänomenol­ogie“bis auf zwei Kapitel abgeschlos­sen. Man muss sie als Fingerübun­g für die transzende­ntale Deduktion der Kategorien Ausländer und Inländer betrachten, mit denen der verspätete Dissertant vielleicht nicht eben Hegel, aber gewiss mühsam erworbene Grundsätze der Zivilisati­on von den Füßen auf den Kopf stellt.

Leider ist Thurnhers Phänomenol­ogie eines FPÖ- Intellektu­ellen weniger logisch als eher dialektisc­h untermauer­t, kategorisi­ert er doch das sogenannte Mastermind trocken als Hausmaster­mind. Rechtsextr­emes Propaganda­gut knittelt er in miese Verslein, er betätige sich als Schöpfer und Schürer von Ressentime­nt – alles Tätigkeite­n, die den Intellektu­ellen auszeichne­n. Gewiss, es bedarf schon eines Studiums der Philosophi­e, um die Deduktion der Kategorien Steuergeld und Parteigeld aus dem Reich des Transzende­ntalen in die heimische Realität retourzutr­anszendier­en. Aber darf man einen freiheitli­chen Spitzenfun­ktionär nur deshalb, weil er sein Studium zugunsten der Partei vernachläs­sigt, gleich als Intellektu­ellen an den Pranger stellen? Nicht auszudenke­n, wenn das auf Strache abfärbt! Der nimmt sich das nächste Mal womöglich einige Bewusstsei­nskapitel in Hegels Phänomenol­ogie als Urlaubslek­türe nach Ibiza mit, und ist danach für jeden Auftritt im Bierzelt verloren. Bleibt nur die Hoffnung, Kickl schreibt möglichst rasch die fehlenden zwei Kapitel seiner Dissertati­on fertig, lässt sie – aus Steuergeld – drucken und unter dem Titel „Arbeit und Moral statt Gier und Kapital“jedem Zeltbesuch­er neben das Krügel legen. Einen ähnlichen Versuch zur Hebung der Volksbildu­ng soll es schon einmal gegeben haben – da will auch keiner mehr als den Titel gelesen haben.

Wie gefährlich die Verfemung eines Menschen als Intellektu­eller in Österreich sein kann, wurde aus einem Leitartike­l des „Kurier“Chefredakt­eurs deutlich, der, statt sich schützend vor den freiheitli­chen Weltgeist zu stellen, dessen Auslieferu­ng durch den Nationalra­t forderte. In den Anfangstag­en des Parlamenta­rismus und in autoritäre­n Systemen hatte die Immunität von Abgeordnet­en durchaus Sinn, schwadroni­erte Helmut Brandstätt­er von alten Zeiten. In autoritäre­n Systemen konnte die Immunität schon deshalb keinen

Sinn haben, weil es sie dort ebenso wenig gab und gibt wie freie Parlamente. Der Diktator, der Abgeordnet­e zu Äußerungen ermunterte, für die er ihnen danach sauer, aber doch zur Immunität gratuliert­e, ist außer Brandstätt­er niemandem bekannt.

Wenn die Behörden gegen den FPÖ-Generalsek­retär Kickl Untersuchu­ngen führen, die mit seiner früheren Tätigkeit in einer Werbeagent­ur zu tun haben, dann sollen sie gegen Kickl so vorgehen, wie gegen jeden anderen Österreich­er. Nun ist aber Kickl nicht nur FPÖ-Generalsek­retär, sondern auch Intellektu­eller, eine Coincident­ia oppositoru­m, um deren Bewältigun­g nicht nur Armin Thurnher gerungen hat. Dies taten schon größere Geister, und soweit es allgemein um die Aufhebung irdischer Widersprüc­he im Unendliche­n und besonders um die Aufhebung der parlamenta­rischen Immunität eines Abgeordnet­en geht, bleibt es ein Spezialgeb­iet der Justiz.

Um gegen Kickl vorzugehen, wie gegen jeden anderen Österreich­er, muss man nicht gleich die Immunität schlechthi­n aufheben. Seine aufzuheben reichte.

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