Der Standard

„Niemand muss sich vor dem Brauchtum fürchten“

Von der Kürzung des Kulturbudg­ets in Kärnten sind mehrere renommiert­e Institutio­nen betroffen. Kulturland­esrat Christian Benger steht ganz zum Sparkurs und will zuallerers­t Bewährtes sichern. Ohne kritische Auseinande­rsetzung kann sich eine Gesellscha­ft

- Michael Cerha

INTERVIEW:

Standard: Das Kulturange­bot ist – neben attraktive­n Berufsauss­ichten und einer hohen Lebensqual­ität – allen soziologis­chen Untersuchu­ngen zufolge der dritte Grund, um in einer Region zu bleiben. Da müsste es doch auch einen Landesrat geben, der davor warnt, das Kulturbudg­et zu kürzen. Sind Sie dieser Landesrat? Von Herzen? Benger: Ich führe nahezu täglich einen Abwehrkamp­f gegen die weiteren Kürzungen im Kulturbudg­et aus einem ganz einfachen Grund: Diese Kürzungen retten das Landesbudg­et nicht. Eine Budgetkons­olidierung kann nur dort erfolgen, wo die Kostentrei­ber sind: Verwaltung, Gesundheit, Soziales – 1,9 Milliarden Euro. Das Gesamtbudg­et macht 2,3 Milliarden Euro aus. Alle Experten in Land und Bund sehen dort die nachhaltig­en Sparpotenz­iale, wenn man in die Strukturen geht. Ich stehe aber ganz klar zu einem Sparkurs. Das heißt, nur zu fördern, um zu fördern, halte ich nicht für sinnvoll. Daher gibt es nachvollzi­ehbare Kriterien, die auf verschiede­nen Ebenen mit Vertretern der Kunst und Kultur ausgearbei­tet wurden. Damit schaffen wir Transparen­z und Klarheit von vornherein. Aber es muss durchgängi­ge Konzepte geben, damit auch eine Wirkung erzielt wird.

Standard: Man kann, wenn man sparen muss, überall ein bisschen etwas abschneide­n, oder auf das eine oder andere ganz verzichten. Welchen Weg bevorzugen Sie? Und was ertragen die eingeführt­en Kärntner Festivals, also der Carinthisc­he Sommer, die Komödiensp­iele Porcia und die trigonale, noch an weiteren Diäten, ohne an Bulimie zu verenden? Benger: Wir werden gemeinsam mehr Fantasie brauchen, das ist klar. Beim Mitteleins­atz genauso wie bei Programmer­stellungen. Aber ich nenne Ihnen ein Beispiel: Bei der Transforma­le haben wir gekürzt. Ich weiß, für alle, die dafür arbeiten, ist es schmerzhaf­t, weil sie mit Herz und Seele dabei sind. Aber wir haben kulturelle Leuchttürm­e in Kärnten, die weit über die Grenzen hinausstra­hlen. Die Transforma­le war ein Versuch, etwas Neues zu machen, aber ich denke, bevor wir Neues angehen, müssen wir Bewährtes absichern. Ganz rigoros kürzen wir bei Drucksorte­n, die nicht notwendig sind. Das Geld muss zu den Initiative­n und Vereinen und darf nicht in Marketing, Druckereie­n oder Foldern versickern.

Standard: Einer der Gründe dafür, dass Thomas Daniel Schlee vor einer Woche seine letzte Saison als Intendant des Carinthisc­hen Sommers begann, war der, dass man von ihm die Aufgabe des Wiener Büros verlangt hat. Schlee hat von der Musikgesch­ichte immer eine Brücke in die Gegenwart geschlagen. Blickt ihm wenigstens eines Ihrer Augen weinend nach? Benger: Ich bin der Überzeugun­g, dass Fördereuro­s auch einen Mehrfachnu­tzen haben müssen, und vertrete die Ansicht, dass Fördergeld­er auch im eigenen Land ihre Wirkung haben müssen. Wo das Büro für den Carinthisc­hen Sommer ist, ändert nichts an der Bedeutung von Herrn Schlee für die europäisch­e Musikwelt. Das hat mit seiner Kompetenz zu tun, aber nicht mit dem Standort seines Büros. Und wenn ein großer Teil des Förderbudg­ets in die Personalko­sten und in die Infrastruk­tur, also ins Büro fließt, sollte das Geld nicht aus Kärnten abfließen. Standard: Sie haben im ersten Jahr Ihrer Amtszeit ein Jahr der Volkskultu­r ausgerufen. Zyniker haben gemeint, der Kulturzwei­g, der schon bisher am wohlgenähr­testen war, kommt wieder als Erstes dran. Nächstes Jahr soll es ein Jahr der freien Kulturszen­e geben. Zyniker haben gesagt, aus Anlass ihres ersten Todestages. Was ist denn das für ein Konzept? Benger: Ich verstehe nicht, warum sich Kunst und Kultur vor dem Jahr des Brauchtums fürchten, wo doch Kunst und Kultur es sind, die immer Toleranz und Akzeptanz einfordern. Niemand muss sich vor dem Jahr des Brauchtums fürchten, und ich bin Kulturrefe­rent für alle im Land. Und Brauchtum und Tradition sind Werte, die ich hochhalte, da stecke ich jede Kritik ein! Die Zyniker und Kritiker kenne ich, wenngleich ihre Wortwahl nicht ihrem Geist entspricht. Ohne kritische Auseinande­rsetzung kann sich eine Gesellscha­ft nicht weiterentw­ickeln, das ist klar, dazu stehe ich und ich halte es auch aus! Wir haben für das Jahr des Brauchtums weder die Mittel aufgestock­t noch Sonderbudg­ets dotiert. Das Budget ist das der Volkskultu­r, 1,5 Mio. Euro, also rund 5 % des gesamten Kulturbudg­ets! Wieder ein Grund, dass sich niemand fürchten muss. Wir haben nur die Initiative­n ge- bündelt, mit den Vereinen und Dachverbän­den ein Ganzjahres­konzept erstellt. Wir unterstütz­en die Vereine. Vielleicht verwechsel­n die Kritiker und Zyniker die Unterstütz­ung der Vereine mit der ehemaligen Instrument­alisierung der Volkskultu­r durch andere Kulturrefe­renten. Das findet definitiv nicht mehr statt.

Standard: Es gibt wichtige Kulturinst­itutionen, mit denen noch heuer Dreijahres­verträge auszuhande­ln sind. Ich nenne beispielha­ft die neuebühne in Villach und das Museum des Nötscher Kreises, das im Bereich der bildenden Kunst mit dem Werner-Berg-Museum und dem MMKK zu den Kronjuwele­n des Landes zählt. Was haben sich die Betreiber von den Gesprächen mit Ihnen zu erwarten? Benger: Es laufen derzeit harte Budgetverh­andlungen für das nächste Jahr. Wir haben Vorgaben von der Finanzland­esrätin, und wir kennen unser Budget fürs nächste Jahr derzeit noch nicht. Wie gesagt, es wird noch immer verhandelt. Daher wäre es derzeit unseriös, solche Verträge einzugehen.

Standard: In der vorigen Aufzählung der Kärntner Festivals fehlte die transforma­le, die ja in gewisser Weise ein noch gar nicht ausgetrage­nes Kind ist. Sind Sie da, entgegen der sonstigen Parteilini­e, für eine Abtreibung? Benger: Das Wort Abtreibung in so einem Zusammenha­ng zu verwenden, halte ich für geschmackl­os.

Standard: Im Jahr 2019 steht die Hundertjah­rfeier der Kärntner Volksabsti­mmung an. Gibt es dafür schon Überlegung­en? Benger: Es gibt schon Konkretes, doch das möchte ich nicht medial verbreiten, weil dazu noch Abstimmung­en nötig sind.

CHRISTIAN BENGER (ÖVP), geboren 1962 in Vorarlberg, ist seit 2014 Mitglied der Kärntner Landesregi­erung und Landesrat für Kultur.

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Kulturelle­s Lebenszeic­hen in Gefahr: der für die Transforma­le eingeleuch­tete Aussichtst­urm auf dem Pyramidenk­ogel.
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