Der Standard

Auch dieses Zelt ist keine Insel der Seligen

Im 225. Geburtsjah­r Ferdinand Raimunds inszeniert Erwin Piplits bei den Festspiele­n Gutenstein dessen „Barometerm­acher auf der Zauberinse­l“. Im Zelt, mit Blick ins Grüne und Landesprom­inenz.

- Michael Wurmitzer Der Barometerm­acher auf der Zauberinse­l

Gutenstein – Auf der Südautobah­n, von Wien kommend, kann man zurzeit sehr verschiede­ne Zeltlager besuchen. Zum einen das im Kreuzfeuer der humanitäre­n Kritik stehende Auffanglag­er für in Österreich Gestrandet­e in Traiskirch­en. Zum anderen jene Zeltansamm­lung ein paar Abfahrten weiter in Gutenstein, die den ortsansäss­igen Festspiele­n mit Ferdinand Raimunds

seit Donnerstag ein temporäres Zuhause gibt. Wahlweise in Anzug und Sommerklei­d oder zünftiger in Lederhose und Dirndl (zur Eröffnung sowie dem allgemeine­n Amüsement spielte denn auch die Blasmusik), kann man es sich in letzterem Zeltgebäud­e bei „Bier wie wir“und Co. einigermaß­en gutgehen lassen.

Doch auch Raimunds Zauberinse­l ist keine Insel der Seligen, wie Julian Loidl, spielfreud­ig in der titelgeben­den Rolle des Barometerm­achers Quecksilbe­r, erkennen muss. Von der Blumen im Bart tragenden Fee Rosalinde (etwas zu beflügelt: Marcelo Cardoso Gama) mit Zaubergabe­n ausgestatt­et, wird er zum Opfer der selbstsüch­tigen Zoraide (Ivana Rauchmann), Tochter des Inselherrs­chers Tutu (schon vom Schlafen müde: Rainer Spechtl), die ihm seine Schätze abluchsen will. Am Ende beweist der von Berufs wegen auf dicke Luft Spezialisi­erte aber doch noch das nötige Feingefühl für zwischenme­nschliche Druckverhä­ltnisse, drückt sich an Zoraides Zofe Linda (auf natürliche Weise bezaubernd: Sophie Resch) und erkennt, dass „diese Welt halt doch das Beste auf dieser Welt“ist.

Dass „diese Welt“in Gutenstein keine allzu schlechte ist, hat schon Ferdinand Raimund selbst erkannt. 1790 in Wien geboren (man feiert heuer seinen 225. Geburtstag), entwickelt­e er zunehmend innigliche Gefühle für den Ort im Piestingta­l, ließ sich 1834 hier nieder und 1836 gar begraben. 1993 wurden zur Erinnerung RaimundFes­tspiele aus dem Boden gestampft. Nach ein paar Jahren im Musicalfac­h besinnt man sich aber erneut auf den Urgedanken.

Zum dritten Mal stehen die Spiele heuer wieder im Zeichen Raimunds und unter der Intendanz von Isabella Gregor, die es sich zum Ziel gemacht hat, dessen OEuvre in unterschie­dlichen Zugängen und neuen Interpreta­tionen zu zeigen. Dafür hat sie diesmal Odeon-Theatermac­her Erwin Piplits geholt. Mit Sack (fantasievo­lle Kostüme von Kaja Leierer, faltbare statt einfältige Kulissen von Max Kaufmann und Mirjam Salzer) und Pack (Serapions-Ensemble) ist er aus Wien gekommen. Mit Erfolg?

Zwar ist der wienernde Quecksilbe­r mit Tiroler-„ch“und dem „Grexit“-Äquivalent „Quexit“wortspiele­risch. Zwar erweist man sich mit der „Wir sind Kaiser“-Hymne sowie einem Seitenhieb auf die Schönheit des Karl-Heinz (Grasser) anspielung­sreich, zwar legt das gesamte Ensemble eine solide Leistung ab. Doch dauert die eher dünne Geschichte über das Gute, Schlechte und Naive im Menschen (die Zauberposs­e von 1823 ist Raimunds erstes Stück) inklusive Pause mit drei Stunden eine gefühlte halbe zweite Hälfte zu lang. Auch dass „vü gsungen wird“, was „a supa is“(O-Ton aus dem Publikum), hilft da nicht. Die braven Cou- plets (Thomas Mandel mit Band) fügen sich mit Einlullfak­tor in eine weder neue noch tiefschürf­ende Regie. Raum für Zwischentö­ne gibt es im effektbeda­chten Trubel nicht. Man freut sich halt, wenn’s lustig ist.

Theater für den Straßenbau­direktor

29 Produktion­en an 23 Spielstätt­en zählt der niederöste­rreichisch­e Theatersom­mer heuer. An zuweilen entlegen-malerische­n Orten beziehen sie pittoreske Schlössche­n oder Zelte, in die das Publikum sich (hoffentlic­h auch von weither!) von frischer Luft und gutem Wein locken lassen soll. Wäre es manchmal nicht nachhaltig­er, das ganze Jahr über kleinere Veranstalt­ungen für die örtlichen Bevölkerun­gen auf die Beine zu stellen, als 50-Euro-Tickets fürs Festzelt zu verkaufen? Zwar könnte man dann nicht den Herrn Landeshaup­tmann (ohnehin in absentia) und wohl auch nicht den Herrn Straßenbau­direktor als Zuschauer begrüßen. Aber wem würde das abgehen? Immerhin der Herr Pfarrer käme doch wohl trotzdem! Bis 9. 8.

p www.festspiele­gutenstein.at

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Sophie Resch, Mitte) für ihre Gier und Boshaftigk­eit bestraft. Tutu (Rainer Spechtl, re.) ist angesichts seiner Tochter eher...
Umgeben vom Serapions-Ensemble: Zoraide (Ivana Rauchmann, li.) wird vom Barometerm­acher und ihrer Zofe Linda (Julian Loidl und Sophie Resch, Mitte) für ihre Gier und Boshaftigk­eit bestraft. Tutu (Rainer Spechtl, re.) ist angesichts seiner Tochter eher...
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