Vom Ende eines Kapitels Identität
Die Übernahme des Residenz-Verlags zeugt von kulturellen Verschiebungen
Unvergessen ist der Satz von Jochen Jung, zuerst Lektor unter Verlagsgründer Wolfgang Schaffler, dann selbst Kopf des Residenz-Verlags, aus den 1990er-Jahren: „So wie die Republik das Burgtheater subventioniert, müsste sie es auch mit dem Residenz-Verlag halten.“Literatur galt als „wichtig“für das Land und seine Identität.
Bruno Kreisky, der Reformkanzler von 1970, zitierte gerne Robert Musil als seinen Lieblingsautor, empfing Gerhard Roth zum Frühstück und ließ sich von Thomas Bernhard wie auch Peter Handke medienwirksam beflegeln („Österreich, das Fette, an dem ich würge“). Handke wie Bernhard wurden von Suhrkamp in Frankfurt verlegt. Aber ihre persönlichsten, autobiografischen Erzählungen, erschienen bei Residenz, und Jung war ihr Lektor. (Handke: loses Unglück, Bernhard: Der Keller etc.)
Mit geschätzten drei Millionen Euro Umsatz ist Residenz wahrlich kein Großverlag, aber ein symbolträchtiges Haus, das zuletzt nach einer Eigentümerodyssee in Sankt Pölten zu Ruhe und einem unspektakulären Profil fand.
Daniell Porsche hat vor einigen Jahren für einen bei Residenz erschienenen Band mit fotografischen Kinderporträts von Miki Kapherr „poetische Texte“beigesteuert. Nun gab er bekannt, dass er den einst wichtigsten österreichischen Verlag für Gegenwartsliteratur erworben habe und ihn zurück nach Salzburg bringen wird: „Mir ist es ein besonderes Anliegen, dass im Zeitalter von E-Books schön gestaltete, werthaltige und gedruckte Bücher mit gutem Inhalt ihren Stellenwert nicht verlieren.“Es gelte, präzisiert der CEO der PDP Holding GmbH Rafael Walter, über die die Akquisition abgewickelt wird, zu gewährleisten, dass der Verlag „in Ruhe weiterarbeiten“könne, um das „Werthaltige zu bewahren“, mit starker lokaler Verankerung in der Region.
Porsche kann durchaus auf eine hohe persönliche Glaubwürdigkeit als Mäzen verweisen. Über seine private Holding finanziert er eine Waldorfschule wie auch verschiedene kulturelle Initiativen. Er will jedoch nicht „spenden“, sondern „investieren“. In einer Autobiografie 2010 wie auch in zahlreichen Medieninterviews präsentiert er sich als mäzenatischen Unternehmer und tritt dabei durchaus selbstbewusst als Mitglied der komplexen Porsche-Piëch-Familie auf, eines der großen wie auch hochkontroversen europäischen Industriellen-Clans.
Der neue Eigentümer bei Residenz illustriert mit einem grellen Schlaglicht eine tiefgreifende wie umfassende Verschiebung. Literatur – gerne auch als „anspruchsvoll“herausgehoben – ist in diesem emphatischen Sinne von einem Scharnier in der öffentli- chen Identität der Republik zu einem Stück ihrer Geschichte geworden. Was von „öffentlicher Bedeutung“war, ist heute ein vergleichsweise privates Anliegen, zu dessen Bewahrung es entsprechend privater Initiativen bedarf.
Internationaler Trend
Das gilt nicht nur in Österreich, sondern weithin, nicht allein für Literatur, sondern für weite Bereiche aus Kunst, Kultur und (traditionellen) Medien. Amazon Gründer Jeff Bezos übernahm, als Privatmann, die Washington Post. Der Aufbau-Verlag in Berlin, einst literarisches wie kulturpolitisches Schaustück der DDR, erfüllt heute den Traum eines Immobilieninvestors. Suhrkamp, das westdeutsche Gegenstück, ging beinahe ins Aus über dem epischen Streit zwischen der Witwe des prägenden Verlegers und einem ungeliebten, eben verstorbenen Privatinvestor.
Das alles liegt am Geld (Kulturbudgets werden schlicht fortgeschrieben, nicht gestaltet, was mehr deren Resistenz gegenüber Veränderung unterstreicht als ihnen Zukunftswert beimisst), aber auch am sich deutlich verschiebenden Publikum sowie Politikund Medienumfeld. Für den Verlag und sein Erbe ist die Übernahme vermutlich eine sinnvolle Lösung, vielleicht sogar ein Neuanfang. Aber es ist auch eine tiefe Zäsur, die überdeutlich ein Kapitel Literaturgeschichte und Kulturpolitik in Österreich beschließt.
RÜDIGER WISCHENBART analysiert internationale Kultur- und Medienmärkte. p www.wischenbart.com chung auf nationaler Ebene. Auf internationaler Ebene hingegen sollten der schmutzige Krieg, den Erdogan in Syrien führte, wo die Terroristen des Islamischen Staats finanziell und mit Waffen unterstützt wurden, ebenso wie das Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das während der Gezi-Revolte im Mai und Juni 2013 am eigenen Volk begangen wurde, und der Völkermord an den Kurden und Jesiden im Irak und in Syrien, den Erdogan provozierte, normalerweise geradewegs zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag führen.
Nachdem Erdogan nun aber die Mehrheit im Parlament verloren hat und seine Macht als Präsident nicht über die Verfassung hinausgehen kann, bleibt ihm nur ein Ausweg aus der politischen Sackgasse, in die er sich verrannt hat: Neuwahlen provozieren, um die Mehrheit wiederzugewinnen. Die zwei anderen Oppositionsparteien, die Republikanische Volkspartei (CHP) der Kemalisten und die ultranationalistische Partei der Nationalen Bewegung (MHP) könnten diesen Weg freimachen. Ihre Vorsitzenden – Kemal Kiliçdaroglu und Devlet Bahçeli sind nicht in der Lage, die Botschaft der Wähler zu verstehen: Erdogan endgültig loswerden.
Politische Stimmungen wechseln allerdings nicht so schnell. Um tatsächlich das Ergebnis bei vorgezogenen Wahlen in wenigen Monaten umzudrehen, könnte Erdogan versucht sein, die denkbar unheilvollsten Szenarien in die Tat umzusetzen. Er könnte einen