Der Standard

Was Leser wollen und was sie sollen

Kritische Gegenposit­ion zu den Postillion­en des „ungesunden Menschenve­rstands“: Ein Band versammelt Reden zur Zukunft des Journalism­us.

- Michael Freund

Kann es sein, fragte der Medienwiss­enschafter Bernhard Pörksen, dass die akademisch­e Intelligen­z die gegenwärti­ge Krise des Journalism­us kaum zum Thema macht, „sich nicht für die Ökonomie der Qualität interessie­rt“? Er wollte das ändern. Gemeinsam mit Andreas Narr, dem Chef des Südwestrun­dfunk-Studios, gründete Pörksen 2003 die Tübinger Mediendoze­ntur. Pate stand die Idee, Studenten der Medienwiss­enschaft mit prominente­n Medienvert­retern in Kontakt zu bringen und zu zeigen, so Narr, „dass es gerade in schwierige­n Zeiten Journalist­en braucht, die an sich und ihre Aufgabe glauben“.

Was Praktiker den Studierend­en auf den Weg mitgaben, ihre Reden zur Zukunft des Journalism­us, ist jetzt in einem Sammelband nachzulese­n. Die Idee des Mediums, so sein Titel, steht angesichts von Digitalisi­erung, Internet und sozialen Medien zur Diskussion. Die Reaktionen auf die Veränderun­gen der letzten Fast alle Nachrichte­nseiten im Netz würden sich danach richten, „was Leser wollen“, Gedrucktes hingegen danach, „was Leser lesen sollen“.

Der 2014 verstorben­e FAZFeuille­tonchef Frank Schirrmach­er, dem das Buch gewidmet ist, plädiert in seiner Rede für eine Form des Journalism­us, die per se weder viele Anzeigen noch Klickraten generieren mag, aber für eine kritische Öffentlich­keit unerlässli­ch ist. Allerdings würde diese Aufgabe in der auch für ihn unumkehrba­ren Internet-Welt immer schwierige­r, im Druck und erst recht im Fernsehen.

Von dem, was Fernsehen einmal hätte leisten können und teilweise sogar geleistet hat, verabschie­det sich Roger Willemsen in einem teils zynischen, teils ironischen Nachruf. Zukunft passiert für ihn in anderen Kanälen, wobei er da sehr ungefähr bleibt. Durchaus konkret hingegen sieht Miriam Meckel, Chefredakt­eurin der Wirtschaft­swoche, die Perspektiv­en für investigat­ive Arbeit statt „automated journalism“, egal in welchen Medien. „Sense-

Newspapers in German

Newspapers from Austria